„Das Regime verliert die Nerven“

Das Regime Milosevic braucht einen neuen Feind, und der steht nicht mehr außen:Der serbische Journalist Milos Vasic über die Aktionen gegen unabhängige Medien

Miloš Vasić war 15 Jahre Reporter beim größten Magazin Ex-Jugoslawiens, „NIN“. Nach dessen Übernahme durch Milošević’ Anhänger gründete er zusammen mit anderen Journalisten das unabhängige Magazin „Vreme“ (Zeit). Zudem ist Vasić Special Adviser für den BBC-Worldservice und schreibt auch für die „Gazeta Wyborcza“ und die taz.

taz: Der Kosovokrieg ist seit fast einem Jahr vorbei. Warum schlägt das Milošević-Regime gerade jetzt gegen die unabhängigen Medien zu?

Miloš Vasić: Milošević wollte Krieg im Kosovo, und er hat ihn bekommen. Der Krieg gegen einen übermächtigen Gegner – die Nato – war für ihn und seine Verbündeten im serbischen Parlament, die dreiköpfige Regierungskoalition aus Sozialisten, Radikalen und der Jugoslawischen Linken JUL, die einzige Möglichkeit, an der Macht zu bleiben. Die Angst, die der Angriff der Nato bei den Menschen in Serbien ausgelöst hat, hat das Regime stabilisiert. Aber jetzt ist das Kosovo ein Jahr verloren, und kaum ein Mensch in Serbien glaubt noch an eine Bedrohung von dieser Seite. Milošević und Co. benötigen einen neuen Feind.

Hinzu kommt, dass das Regime die Nerven verliert. So sind etwa die letzten Morde innerhalb der Belgrader Unterwelt natürlich nichts anderes als Fraktionskämpfe innerhalb der herrschenden Oligarchie. Deshalb wurden auch fast nur Leute ermordet, die auf die eine oder andere Art mit dem Regime verbunden sind. Mit den Aktionen gegen die Medien versucht das Regime nun quasi, den Reichstag anzuzünden, also eine Atmosphäre zu schaffen, in der es den Ausnahmezustand einführen will.

Richten sich die Aktionen des Regimes nur gegen elektronische Medien, oder sind auch Printmedien betroffen?

Milošević stören die elektronischen Medien mehr als die Printmedien, weil sie mittlerweile ihre Nachrichtenprogramme weit über die Grenzen Belgrads und der anderen größeren Städte hinaus ausstrahlen. Wie sehr das Regime die unabhängigen Radiosender fürchtet, sieht man etwa an der Aktion gegen Radio Pancevo. Dort ist die Eigentumsfrage – immer wieder ein Vehikel des Regimes für den Kampf gegen unbootmäßige Journalisten – im Gegensatz zu anderen Radiostationen seit langem geklärt. Aber das Regime fand trotzdem einen Weg, den Sender abzuschalten – es ließ einfach den Transmitter stilllegen. Noch kurioser lief die Schließung des Radios von Smederevska Palanka. Dort stellte die Polizei der ganzen Stadt den Strom und das Handynetz ab.

Bereits seit Kriegsbeginn kontrolliert Milošević quasi alle wichtigen Medien. Was will das Regime noch mehr?

Milošević’ Leute haben nie alle Medien kontrolliert. Es gibt in Serbien drei unabhängige Zeitschriften, zwei Tageszeitungen in Belgrad, und natürlich das serbienweite Netz von rund 30 Rundfunkstationen, die nach wie vor die Nachrichten von Studio B ausstrahlen.

Die Printmedien versucht das Regime schon seit einem Jahr über hohe Geldstrafen und andere Schikanen zu vernichten. Aber das eigentliche Problem der serbischen Regierung sind die elektronischen Medien, weil sie schneller mehr Menschen erreichen können.

Sind die Methoden, mit denen diese Ziele verfolgt werden, nach jugoslawischen Gesetzen legal?

Das derzeit geltende Mediengesetz widerspricht so oder so in wichtigen Punkten der jugoslawischen Verfassung. Die ganze Aktion gegen die Medien läuft in die Richtung, in die Milošević’ Politik seit 1987/88 geht: hin zu einer Restauration des kommunistischen Totalitarismus in Serbien. 1990 musste das Regime nach dem Fall der Berliner Mauer ein Mehrparteiensystem und freie Medien zulassen. Jetzt bietet sich die Möglichkeit, diese vorübergehenden Zugeständnisse zurückzunehmen.

Interview: RÜDIGER ROSSIG