Feuerwerker von Enschede verhaftet

Die zwei abgetauchten Betreiber der explodierten Firma S. E. Fireworks stellen sich der Polizei.Erneut werden Vorwürfe gegen den Bürgermeister und den Chef der Feuerwehr der Stadt erhoben

BERLIN taz ■ Die beiden Feuerwerker von Enschede sind in Haft. Nach Willem Pater (49), der sich am Freitagabend stellte, hat sich am Samstag auch Ruud Bakker (37), Mitbetreiber der am 13. Mai explodierten Feuerwerksfabrik, bei der Polizei der ostniederländischen Stadt gemeldet. Nach beiden war seit Donnerstag mit internationalem Haftbefehl gefahndet worden.

Bakker und Pater, die noch während der Explosion ihrer Fabrik abgetaucht waren, stehen im Verdacht, für die verheerende Katastrophe verantwortlich zu sein. Ihnen wird vorgeworfen, auf dem Firmengelände in einem Wohngebiet unter Verstoß gegen die Betriebsgenehmigung gefährliche Feuerwerkskörper, darunter nicht genehmigtes Material aus China, montiert und Feuerwerk statt in feuersicheren Bunkern illegal in Schiffscontainern gelagert zu haben.

Bei der Katastrophe von Enschede starben 17 Menschen, 964 wurden verletzt. Die Stadtverwaltung hatte am Freitag die Zahl der bisher geborgenen Todesopfer von 18 auf 17 korrigiert. Die entdeckten Leichenteile, die zunächst auf einen 18. Toten hindeuteten, hätten bereits identifizierten Toten zugeordnet werden können, erklärte Bürgermeister Jan Mans.

Die Zahl der Vermissten, die in den Tagen nach der Katastrophe zwischen 200 und 400 schwankte, konnte seit Donnerstagabend mehrmals nach unten korrigiert werden. Gestern zählte die Liste, deren Handhabung den Behörden einigen Ärger eingetragen hat (siehe taz vom 19. 5), noch fünf Vermisste, nachdem der Aufenthalt einer Reihe weiterer Personen geklärt worden war. Von dieser Liste, so Bürgermeister Mans, würden Namen erst gestrichen, wenn die Behörden absolut sicher seien, dass die Menschen nicht in dem Inferno umgekommen sind, bei dem rund 400 Häuser verwüstet wurden.

Das Mitgefühl mit den Opfern der Katastrophe, die neben ihren Häusern in einigen Fällen auch Angehörige verloren haben, ist groß. Nicht nur flossen umgerechnet vier Millionen Mark auf ein Sonderkonto. Auch reisten am Freitag deutsche Feuerwehrleute aus benachbarten Orten jenseits der Grenze zur Beerdigung eines der vier Kollegen an, die bei der Explosion umgekommen waren.

Am Abend nahmen dann über hunderttausend Menschen an einem Schweigemarsch zum Gedenken an die Opfer der Brandkatastrophe teil. Die Organisatoren waren von den Menschenmassen völlig überrascht worden, sie hatten mit 15.000 gerechnet. Der Trauerzug war so lang, dass sich die letzten Teilnehmer erst in Bewegung setzten, als Hollands Premier Wim Kok seine Rede bereits beendet hatte. „Die gesamte niederländische Gesellschaft ist entsetzt, tieftraurig und voller Mitgefühl für die Angehörigen der Opfer“, sagte Kok. Beim Wiederaufbau des verwüsteten Stadtviertels Roombeek könnten die Einwohner Enschedes auf die Hilfe der Regierung zählen. Und auch wenn das die Katastrophe nicht rückgängig machen könne – die Ursache der Explosion müsse „restlos aufgeklärt“ werden.

Weiterhin unklar ist, ob die Staatsanwaltschaft strafrechtliche Schritte auch gegen die politisch Verantwortlichen der Stadt Enschede unternehmen wird. Schon am letzten Donnerstag hatte ein Strafrechtler gefordert, Bürgermeister Jan Mans und den Chef der Feuerwehr, Ad Groos, wegen fahrlässiger Tötung zur Verantwortung zu ziehen. Mans wird vorgeworfen, seine Behörde habe der Firma S.E. Fireworks Genehmigungen für die Lagerung von Feuerwerk in Schiffscontainern erteilt, von denen bekannt war, dass sie im Falle eines Brandes wie eine Bombe wirkten. Groos wird vorgehalten, er habe seine Mannen zum Löschen geschickt, ohne dass er sich mit dem brenzligen Inhalt der Container befasst hatte. HENK RAIJER