„Ich bin ein Stresser“

Lado Fumic ist nicht nur Deutschlands bester Mountainbiker, sondern auch Gründer eines Radsportteams, versierter Selbstvermarkter und Medaillenkandidat für die Olympischen Spiele

von ERHARD GOLLER

„Mit dem Mountainbike erwirbst du eine Lebenseinstellung.“ Wenn das auch nicht für alle 17 Millionen deutsche Besitzer von Geländerädern gilt, für Lado Fumic allemal. Aus eigener Kraft raus aus der Kleinstadt am Rande der Schwäbischen Alb, hinein in die Natur und zurück – als 13-Jähriger eroberte er sich damit ein Stück Freiheit. Was daraus geworden ist, das wird man bei den Olympischen Spielen in Sydney besichtigen können. Mit knapp 24 Jahren ist Fumic zum derzeit besten deutschen Mountainbiker avanciert. Am Sonntag gewann er das zweite Bundesliga-Rennen im Sauerland und führt die Wertung an. Im Weltcup liegt er derzeit auf Rang 8. Schon mit einem 7. und einem 3. Platz bei den ersten beiden Weltcup-Rennen in den USA und in Mexiko hatte er die Qualifikationskriterien für Olympia erfüllt.

Jahrelang galt Lado Fumic als Enfant terrible in der nationalen Szene. Mit seiner „großen Klappe“ (Fumic über Fumic) hinterließ er immer wieder beleidigte Gesichter, obwohl er in der Sache seiner Meinung nach meistens richtig lag. Das Chaoten-Image hat er mittlerweile abgelegt, seine wortreichen Statements aber gibt es immer noch zu hören. Nach dem Wirtschaftsgymnasium eröffnete er einen Bike-Shop, anstatt zu studieren. Vor zwei Jahren gründete er sein eigenes Team, was eher ungewöhnlich ist in dem Metier. Auch Sponsoren, Vermarktung und Medienkontakte organisiert er selbst. Nebenbei brachte er mit dem UCS Stuttgart auch noch einen reinen Mountainbike-Verein mit auf den Weg. „Ich bin ein Stresser“, kommentiert Fumic.

Auch die Angelegenheit Wehrdienst wirft ein Schlaglicht auf seine Persönlichkeit. Obwohl man für ihn eine Stelle bei der Sportfördergruppe arrangiert hat, lässt sich der Malersohn nicht beirren. Er hat aus Gewissensgründen verweigert und obwohl er in einer mündlichen Verhandlung abgelehnt wurde, bleibt er dabei. „Nein da kann ich nicht hin. Ich mach’ Zivildienst“, sagt Lado Fumic mit Blick auf den neuerlichen Einberufungstermin im November.

Einen „gefühlsgesteuerten Individualisten“ nannte ihn Thomas Schediwie einmal. Der baden-württembergische Landestrainer, nebenher persönlicher Coach von Straßenprofi Steffen Wesemann, hat maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des Talents, das sich im Blick auf Olympia mehr auf sein Training konzentriert und effektiver arbeitet. „Emotional unheimlich ansprechbar“ mit einer „überragenden Fähigkeit zur kreativen Umsetzung“ von Impulsen, beschreibt der Radsportlehrer die Psyche des Bikers.

Doch Schediwie schätzt auch seine sozialen Qualitäten. Das „Lado Sport-Promotion Racing-Team“, zu dem noch vier Fahrer gehören, beschreibt Fumic als eine „harmonische Familie“, in der man zwar viel Zeit miteinander verbringe, aber nicht nach den Vorgaben des Chefs zu funktionieren habe. „Man sieht sich jeden Tag, man puscht sich gegenseitig. Aber ich will keine stillen Jungs mit den gleichen blonden, kurzen Haaren“, formuliert Fumic sein Credo.

„Individuell, nicht egoistisch“

Druckreife Zitate fallen ihm geradezu bündelweise aus dem Mund: „Professionelle Arbeit ist auch Teamarbeit.“ Rennsituationen ließen sich nur in der Gruppe simulieren. „Individuell, aber nicht egoistisch, gegenseitig unterstützend, aber nicht uniform“, so sieht er sein Team. Dann aber ist jeder ganz allein für seine Leistung verantwortlich, kann sich nicht im Windschatten verstecken. Das liebt der Schwabe an der Cross-Country-Disziplin. Die Off-Road-Spezialisten stehen in den Weltcup-Rennen unter zweieinhalbstündiger Dauerbelastung. „Muskulär permanent im Koma“, nennt es Lado Fumic.

Der Mountainbike-Sport in Deutschland sucht den Weg aus der Talsohle. Den Sprung von der trendigen Fun-Disziplin zum ernsthaften Wettkampfsport hatte man vor Jahren verpasst. Im Bund Deutscher Radfahrer (BDR) beäugen die Traditionalisten das Geschehen nach wie vor skeptisch, die Strukturen sind wenig professionell, die Vermarktung holpert und stolpert, in den Medien sind die Geländeartisten fast gar nicht präsent.

Lado Fumic könnte eine Schlüsselfigur für die Zukunft sein. Als Typ mit Ecken und Kanten, der aber trotzdem als Vorbild taugt, kommunikativ, gradlinig, fair und sportlich erfolgreich. Mit ihm als Flaggschiff und einer inzwischen verbesserten Nachwuchsarbeit könnten, so hofft man, die Medien gewonnen werden. Trainer Schediwie hält ihn für den Farbtupfer, den man im Gerangel um Sponsorengelder braucht. „Was ich verkaufen, was ich verkörpern will, ist: Das Ding entwickelt sich“, sagt Fumic.

Zum ersten Mal seit 1994 stand ein deutscher Cross-Country-Spezialist beim Weltcup wieder auf dem Treppchen. Für den Mann aus Kirchheim/Teck war das „gigantisch“. So gigantisch, dass ihn die zeitweilige Führung in Mexiko mental überforderte. „Ich war vom Kopf her nicht in der Lage, das Ding zu gewinnen“, musste Fumic nach dem plötzlichen Sprung in die Weltelite zugeben. In Spanien bei der Weltmeisterschaft Anfang Juni in der Sierra Nevada will er die kleine Scharte auswetzen und sich das nötige Selbstvertrauen für die Medaillenjagd in Sydney verschaffen.