herr hefele kriegt zwei minuten
: ALBERT HEFELE über seinen ganz persönlichen Sündenkatalog

O HERR, ICH HABE GEFEHLT!

Herr Chefredakteur, liebe LeserInnen. Ich habe gefehlt und muss beichten. Ordentlich und ausführlich beichten; rausrücken mit der ganzen Wahrheit. Ich kann so nicht weiterleben. Ich verdiene Strafe und bitte um eine gehörige solche. Wie bitte, wie meinen Herr Chefredakteur? Ich soll zur Sache kommen? Und nicht wieder um den Brei salbadern? Gemach, gemach. Wenn ich schon beichte, dann will ich das auch mit Inbrunst und dumpf wabernder Dramatik tun. Dann will ich das harte Kniebänkchen und den stockfleckigen roten Samtbezug! Und die unheimlich Silhouette hinter dem Gitterfenster, die da fragt: „Hast du gesündigt, mein Sohn?“ Und ich will antworten: „Ja, ja und nochmals ja!“

Was beichten angeht, kenne ich mich nämlich aus, da macht mir keiner was vor. Ich war Ministrant und damit logischerweise auch katholisch. Ja genau – einer dieser süßen Kuttenbuben, die das Kerzchen tragen und mit einer Mischung aus schlecht verhohlener Langeweile und schlechtem Gewissen um den Altar schlurfen. Immer im Weihrauch/Cannabis-Nebel, auf der Flucht vor der sie bedrohenden postmortalen Vergeltung bzw. den absolut diesseitigen schwülstigen Phantasien eines klebrigen Kaplans. Jedenfalls: Wer katholisch erzogen wurde und Ministrant war, der weiß, was ein schlechtes Gewissen ist.

Drum sag ich’s noch einmal: Ich habe wieder schlimme Sachen gemacht. Sachen, die man nicht macht, wenn man ein reifer und verantwortungsvoller Mensch ist. Nein, nichts mit untenrum. Darüber bin ich längst hinaus, weil ... aber das ist eine andere Geschichte. Mein heutiges schlechtes Gewissen speist sich aus anderen Quellen und hängt mit meiner Glaubwürdigkeit als verantwortungsvoller Mensch und Journalist zusammen. Als für eine Zeitung wie die taz schreibender Journalist schon gar. Also, ich fang an. Mit der Beichte.

Alles herhören – es geht los. Schuld Numero eins: Ich habe vergangenes Wochenende hemmungslos mit den unappetitlich reichen und bekannt arroganten Fußballern des FC Bayern München mitgefiebert und mich gar am Ende anlässlich ihres glücklichen Triumphes über die (allerdings ähnlich unappetitlich reichen) Leverkusener gefreut, ja mich sogar anlässlich der zynischen und despektierlichen Äußerungen Stefan Effenbergs auf den Sendern Sat.1 („lass sie doch pfeifen“) und ZDF („zur EM wird’s eng“) amüsiert.

Es kommt noch schlimmer. Schuld Numero zwo: Sonntagvormittag war ich in ... hüstel ... einem dieser Studios. Nicht was sie denken, und trotzdem schlimm genug. Ich war – jawoll – in einem Fitness-Studio und habe darinnen widernatürliche und zickige Übungen absolviert. Mit dem Ziel, meinen schlappen und nur wenig leistungsfähigen Körper zu stählen und zu optimieren. Jawohl, auch mit dem Ziel, der Damenwelt zu imponieren. Bitte? Nein, ich habe keinen dieser hautengen Anzüge getragen und dope mich auch nicht. Außer mit creatin-L. Das soll einem zu müheloser Schlankheit verhelfen. Es ging aber nicht, und aus Frust habe ich mich noch unter die Höhensonne gelegt. Doch, das ist mein Ernst.

Nein, ich bin keiner dieser kackbraunen Goldkettchen-Heinis. Lassen Sie mich in Ruhe, ich bin noch nicht fertig mit dem Beichten. Denn, und nun ist mir alles egal, kommt Schuld Numero drei. Ich sage nur: Brrrm. Brrrmm. Ich weiß auch nicht, was mit mir los war, am vergangenen Wochenende. Irgendwie sind auf einmal alle Stricke gerissen. Ich wollte wohl auch mal so richtig böse sein. Wieder mal meinen Mr. Hyde rauslassen. Nein, das sind keine Schweinereien, das ist Literatur. Jedenfalls habe ich ... räusper ... Autofahren geguckt. Zwei Stunden lang. Nicht schlagen, Herr Chefredakteur, ich sagte doch, es ist über mich gekommen!

Was noch war? Nichts! Ehrenwort! Fast nichts ... nur das mit Töpperwien – aber das ist ja schon länger her! Trotzdem? Es ist weil – ich war gar nicht soooo betroffen, wie man es als feiner Mensch wohl hätte sein sollen. Das ist der Gipfel? Und ich soll mir meine Papiere abholen? Welche Papiere?

Autorenhinweis:Albert Hefele, 48, ist Ergotherapeut und schreibt über die fundamentalen Dinge des sportlichen Lebens