Reise in die Zukunft

Eine dänische Schule erfindet sich neu – mit einem „Marktplatz“ und Öffnungszeiten rund um die Uhr

„Die alte Schule war atomisiert und hat atomisiert. Sie sah nicht nur wie eine Fabrik aus, sie war eine“, sagt Birger Horning, Direktor der Teknisk Skole in Kolding. In dieser dänischen Berufsschule finden wir den radikalsten Versuch, Abschied von der Lehrplanwirtschaft zu nehmen. Es ist die erste Schule, die 24 Stunden am Tag geöffnet sein wird.

Den letzten Anstoß bekam der Schulleiter beim Beobachten von Kindern und Jugendlichen am Computer. „Sie lernen im Internet chaotisch und anarchisch.“ Er strahlt, wenn er beschreibt, wie die Schüler surfen, sich vertiefen, versinken: „Und dann springen sie von einer Abstraktionsebene zur anderen. Keiner lernt dort mehr im Gleichschritt.“

Die Schule plant einen Neubau. Ein Teil wurde bereits zum OLC, Open Learning Center, umgebaut. In dieser Lernlandschaft stehen mehr als 100 Computerterminals, aber auch große Sofas und kleine Ateliers. Die Schüler sollen sich austauschen und neugierig aufeinander werden. Hier tragen die Probleme der einen zu den Lösungen der anderen bei.

In der neuen Schule wird es verschiedene Typen von Räumen geben, auch noch Räume für traditionellen Unterricht. Aber hier soll keine Phase länger als 10 bis 15 Minuten dauern. Danach gehen die Schüler in Lernräume, in der sie wie im OLC bei anderen Anregungen finden. Eine dritte Art sind Simulations- oder Praxisräume. Hier findet Training für den Beruf statt.

Und dann wird die Schule noch einen ganz anderen Raum haben. Der ganze Stolz des Schulleiters. Ein Raum über ein ganzes Stockwerk. „Wir wollen eine Atmosphäre schaffen wie auf einem traditionellen Marktplatz. Ein Ort, wo sich Menschen treffen, ein Ort, an dem man Neuigkeiten austauscht und Gemeinschaft erlebt.“ Der Markt wird 24 Stunden am Tag geöffnet sein, mit Bistro, Fernsehern und Internet-Café, mit Billardtischen und Bühne.

Überall hängt Kunst, selbst in der Kfz-Werkstatt, und zwar Originale. 100.000 Kronen, etwa 26.000 Mark, hält die Schule in ihrem Jahresetat für den Ankauf von Kunst bereit. „Was uns wichtig ist, müssen wir zeigen und vor allem leben, aber nicht predigen.“ Aber etwas extravagant sei eine Berufsschule voller Kunst doch schon? Der freundliche Däne wird streng. „Das ist gar nicht extravagant, mein Herr, das ist so nötig wie Stühle und Tische.“ REINHARD KAHL