Das Siebenhaarnetz

Multiples Event-Management: Klaus Siebenhaar unterrichtet an der Hochschule für Musik und an der FU, arbeitetet für das Deutsche Theater und leitet einen Verlag. Und er liebt den großen Auftritt

von VOLKER WEIDERMANN

Der Saal ist dunkel. Plötzlich ein Spot, der suchend über die Bühne wandert. Die Bühne ist leer. Der Spot sucht höher und höher, bis er in etwa fünfzehn Meter Höhe auf einer Art Kanzel einen kaugummikauenden Herrn mit Langhaarfrisur und großer Brille erfasst: Klaus Siebenhaar begrüßt die Gäste, die zu einer Abschlussfeier der Studenten des Instituts für Kultur- und Medienmanagement gekommen sind. Siebenhaar leitet das Institut und seine Studenten, die ihre Abschlussfeier hier, im großen Saal des DDR-Rundfunks, selbst organisiert haben, wissen, was dem Chef gefällt. Denn neben dem Knüpfen von Beziehungsfäden im Hintergrund liebt Klaus Siebenhaar den großen Auftritt.

Leider ist er kein sehr guter Repräsentant. Dabei kommt ihm nicht nur sein notorisches Kaugummi immer wieder in die Quere, sondern auch seine Liebe zu Fremdwörtern, die er nicht aussprechen kann, und eine gewisse aufgeblasene Unbeholfenheit seiner Person. Eine krampfhaft überspielte Unsicherheit, die ihn etwa beim Verlesen der Namen seiner Studenten bei der Zeugnisvergabe immer wieder in ein peinliches Stottern und Verhaspeln geraten lässt.

Wenn man ihn so haspeln sieht, glaubt man nicht recht, dass dieser Mann eine Art Genie ist, ein Beziehungsgenie, das in fast allen Berliner Kulturinstitutionen irgendwie seine Finger im Spiel hat. Siebenhaar leitet nicht nur das Institut für Kultur- und Medienmanagement an der Hochschule für Musik Hanns Eisler, er ist Chef der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Deutschen Theater, hat eine Professur bei den Germanisten der FU und leitet gemeinsam mit dem Ex-Grundkreditbank-Chef Jürgen Bostelmann den Verlag Bostelmann & Siebenhaar.

Viel Arbeit. Aber die eigentliche Siebenhaar-Kunst ist nicht, all diese Aufgaben zu bewältigen, sondern die verschiedenen Jobs so raffiniert miteinander zu verknüpfen, dass dabei ein optimaler Synergieeffekt für das System Siebenhaar herausspringt. Das heißt erstens: optimale Mitarbeiternutzung: Sein Mitarbeiterstab, der zu einem guten Teil vom Deutschen Theater bezahlt wird, muss auch für die anderen Siebenhaar-Jobs mit ran. Vor allem mit Vasallenaufgaben. Ein besonders trauriges Beispiel ist Peter Schmeißer, Siebenhaars Stellvertreter am DT. Der schmiert seinem Meister nicht nur jeden Morgen zwei Butterstullen, die Siebenhaar gnädig bis unwillig aufnimmt („Was, Peter Schmeißer? Schon wieder Salami?“), und steht auch sonst für manche Besorgung bereit. Jeder Student am Studiengang kennt Schmeißer als Siebenhaar-Hilfskraft. Bezahlt wird er vom DT. Ähnlich ist es mit Siebenhaars Lebensgefährtin, angestellt in Institut und Verlag, die er vor versammelter Studentenschaft am Telefon herunterputzt: „Und über dein Gehalt müssen wir auch mal reden.“

Kein Faden seines Netzwerks darf ihm aus der Hand gleiten. Die Studenten spielen da eine Vorreiterrolle. Einerseits durch die unentgeltlich angeschobenen Projekte, die Kooperationen mit potenten Kultur- (und Geld-)Trägern wie Partner für Berlin, den Berliner Festspielen oder der Expo in Hannover einfädeln. Bei großen Projekten, wie kürzlich dem Expo-Berlin-Programm, das zwei seiner Studenten konzipierten, springt dann auch noch ein Buchvertrag bei Bostelmann & Siebenhaar heraus. Sonst gibt’s nur einen Seminarschein. Und die Ergebnisse der großen Projekte präsentiert: der große Siebenhaar. Natürlich sind die Projekte und Kooperationen auch zum Nutzen der Studenten. Viele der in Mitte hervorsprießenden Kulturagenturen, wie „artefakt“, „B+B Enterprises“ und „Institut für Kulturmarktforschung“ sind Projekte von Siebenhaar-Studenten. Der Kontakt bleibt in den meisten Fällen eng.

Fast so eng wie der zur Berliner Kulturprominenz: Volker Hassemer, Heinz Dürr, Heribert Sasse, Peter Schwenkow, Axel Wallrabenstein gehören ebenso zum engsten Bezihungskreis Siebenhaars wie zum Dozentenstamm seines Instituts, an dem auch Lea Rosh, Thomas Krüger und der ehemalige Staatssekretär Kultur und Siebenhaar-Busenfreund Lutz von Pufendorf lehren. Mit dem vorletzten Kultursenator Peter Radunski ging er auf Repräsentationsfahrt nach New York. Und auch mit der Kurzzeitsenatorin Thoben sei er gut ausgekommen, erklärte er in einem Interview, zu ernsthaften Konfrontationen sei es eher mit dem Parlament gekommen. Klar: Ein ganzes Parlament einzuspannen, dafür reicht selbst die Kraft des großen Netzknüpfers Siebenhaar noch nicht aus.

Siebenhaars Studenten haben das Forum für Kulturmanagement „Beziehungszauber“ organisiert. Heute und morgen im Kulturkaufhaus Dussmann