Nur geschlichtet, nicht geeinigt

Geteilte Reaktionen auf Schiedsspruch im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes. Schily: „Schwer zu verkraften“. Mehrere ÖTV-Landesverbände: Spruch ist „inakzeptabel“

BERLIN dpa/ap/afp ■ Nach dem gestrigen Schiedsspruch der Schlichter im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes ist zwar der Weg für eine Verhandlungslösung offen. Völlig gebannt ist die Streikgefahr aber noch nicht. Innenminister Otto Schily (SPD) beurteilte den Schlichterspruch gestern zurückhaltend. Er ließ offen, ob der Vorschlag Basis für den Tarifabschluss sein wird. Die vorgesehene lineare Einkommenserhöhung sei für die öffentliche Hand „schwer zu verkraften“. Der Vorschlag liege deutlich über dem Angebot der Arbeitgeber und werde die öffentlichen Kassen mit „Mehrausgaben in Milliardenhöhe“ belasten.

Der ÖTV-Vorsitzende Herbert Mai signalisierte zwar, dass seine Gewerkschaft den Kompromissvorschlag annehmen werde. Widerstand gegen die Ergebnisse formierte sich aber in ÖTV-Landesverbänden. Vertreter aus Niedersachsen, Hessen und Thüringen wiesen die Ergebnisse als „inakzeptabel“ zurück. Auch aus Sachsen und Sachsen-Anhalt kam scharfe Kritik.

Nach Empfehlung der Schlichtungskommission sollen Löhne und Gehälter der 3,1 Millionen Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes rückwirkend zum 1. April um 1,8 Prozent steigen. Zum April 2001 ist eine weitere Anhebung um 2,2 Prozent geplant. Die Schlichter empfehlen eine Laufzeit von zwei Jahren. Zudem schlagen sie vor, die Ost-Einkommen in drei Schritten dem Westniveau anzugleichen: von heute 86,5 Prozent auf 90 Prozent der West-Einkommen ab Januar 2002. Gegen die Empfehlungen der Kommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern stimmte nur die ÖTV.

Sowohl Arbeitgebervertreter Hinrich Lehmann-Grube (SPD) als auch Arbeitnehmervertreter Hans Koschnick (SPD) hatten sich nach den Verhandlungen zuversichtlich dazu geäußert, dass die Tarifparteien den Kompromissvorschlag als Verhandlungsbasis annehmen. Lehmann-Grube bezeichnete ihn als „besonderen Erfolg für die Gewerkschaften“. Auch der Deutsche Beamtenbund (DBB) sah gestern gute Chancen, einen Streik abzuwenden. Die DBB Tarifunion hat den Kompromiss bereits akzeptiert.

Die Entscheidung über den Schiedsspruch fällt frühestens nächste Woche. Am Dienstag werden die Tarifverhandlungen wieder aufgenommen. Bis dahin sollen Betriebe und Verwaltungen Stellung beziehen.