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Grün auf Bremer Dächern

■ Dachbegrünungen sind ökologisch wertvoll und schaden dem Haus nicht. Und der Senat gibt sogar Geld dazu. Ein Ortstermin, oben, auf dem Gras

Der Weg nach oben hat es in sich: 80 steile Stufen sind zu bezwingen, um in die Dachwohnung von Carsten Meyer in Peterswerder zu gelangen. Doch die kleine Gruppe hält durch. Schließlich weiß jeder, dass Dachbegrünungen nicht im Erdgeschoss zu besichtigen sind. In der Wohnung angekommen, müssen noch die etwas eigenwillig versetzten Stufen einer Sambatreppe gemeistert werden. Doch dann ist es geschafft. Acht neugierige Bremer können Meyers Dach bestaunen, das inmitten der Tristesse der umliegenden, teerpappenbedeckten Dächer wie eine Oase wirkt. Denn es ist grün und ganz und gar mit Pflanzen übersät – ein Stück Garten im Dächerdschungel der Großstadt.

Noch sind grüne Dächer in Bremen die Ausnahme. Dabei wird bereits seit 1989 die Begrünung von Dächern als eine „Maßnahme ökologischer Stadtgestaltung“ vom Senator für Bau und Umwelt mit bis zu maximal 3.000 Mark gefördert. Das wissen viele gar nicht. „Bisher wurden erst 90 Anträge bei der Behörde eingereicht“, berichtet Carsten Meyer von der „Planungswerkstatt“, die in Kooperation mit der „Bremer Umweltberatung“ versucht, die Idee vom grünen Dach populär zu machen.

Das ist von Nöten, denn Vorurteile gegen Dachbegrünungen halten sich hartnäckig. „Viele glauben, dass eine Bepflanzung das Dach kaputt macht“, sagt Meyer. Andere wiederum hätten Angst, dass Spinnen und Ameisen von oben ins Haus eindrängen oder dass der Pflegeaufwand zu hoch sei. Alle diese Bedenken kann Meyer zerstreuen. Seit 1992 hat der Berater für ökologisches Wohnen sein Naturdach und trotzdem kein Ungeziefer im Haus. Das Dach ist noch völlig intakt, und der vielfach gefürchtete Pflegeaufwand besteht gerademal darin, einmal pro Jahr zu prüfen, ob sich keine Bäume ausgesät haben. Nachteile ergeben sich aus einer Begrünung also nicht.

Dafür sind die Vorteile umso zahlreicher. „Wir holen unsere Kräuter vom Dach“, erzählt Meyer. Besonders Schnittlauch wächst dort in rauhen Mengen und sieht mit seinen fransigen lila Blüten sehr dekorativ aus. „Natur von oben“ schlägt sich zudem in der Lebensqualität nieder – davon ist Uwe Mädger, Landschaftsgärtner und ebenfalls Besitzer eines grünen Daches in Peterswerder, überzeugt. „Ich spüre, dass über mir Pflanzen sind“, sagt er.

Vor allem aber haben Dachbegrünungen einen ökologischen Nutzen. Gerade in der Stadt sind viele Flächen durch Asphaltierung und Bebauung komplett verschlossen. Grüne Dächer wirken in dieser Hinsicht als „Puffer“, sie entlasten bei Regen den Kanal und führen den Niederschlag über Verdunstung in den Wasserkreislauf zurück. Ebenso filtern die Pflanzen Schadstoffe aus der Luft und verwandeln Kohlendioxid in Sauerstoff. Es werden ökologische Nischen für Vögel und Schmetterlinge geschaffen und nicht zuletzt tut das Grün dem Dach selbst gut. Denn bepflanzte Dächer absorbieren die UV-Strahlung und verhindern so enorme Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, die das Dach belasten und Risse hervorrufen können. „Temperaturunterschiede von bis zu 80 Grad Celsius sind auf unbegrünten Dächern gemessen worden“, weiß Meyer.

Ein bunter Pflanzenteppich aus Schnittlauch, Gräsern, Klee, wilden Nelken, Mauerpfeffer und Moosen bedeckt Meyers Dach. Als Nährboden dient eine acht Zentimeter dicke Substratschicht, unter der sich eine Wurzelschutzbahn befindet, damit das Dach keinen Schaden nimmt. „Das ist notwendig, denn Wurzeln besitzen eine immense Sprengkraft“, sagt Mädger. Die Schutzbahn wiederum liegt auf dem zuvor mit Bitum, einem Teergemisch, abgedichteten Dach. Die Pflanzen werden im übrigen nicht direkt in das Substrat gesät, sondern in Gärtnereien auf einer sogenannten Vegetationsmatte angepflanzt. „Zurzeit gibt es vier verschiedene Arten von Vegetationsmatten“, erzählt der Landschaftsgärtner Mädger. Für ein sonniges Süddach werden andere Pflanzen ausgewählt, als für ein schattiges Norddach.

Dachbegrünungen sind nicht nur für Flachdächer geeignet. „Bis zu einer Neigung von zwanzig Prozent ist das kein Problem“, weiß Mädger aus eigener Erfahrung. Sein Dach ist schräg und trotzdem grün. „Wir haben die Vegetationsmatte einfach über den First gelegt“, erzählt er. Was das kostet? „Zwischen 80 und 140 Mark pro Quadratmeter“, lautet die Antwort. Nun, mit der Förderung durch den Senat durchaus erschwinglich, ist man sich einig. Vielleicht gibt es bald acht begrünte Dächer mehr.

Tanja Vogt

Wer weitere Informationen möchte, kann sich unter 498 86 10 mit Carsten Meyer in Verbindung setzen.

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