Russland wird Atomklo

Russland will den Bau von 23 Atomkraftwerken damit finanzieren, dass es sich der Welt als Atomendlager zur Verfügung stellt. Umweltschützer: „Hier ist keine sichere Lagerung möglich“

BERLIN taz ■ Die russische Regierung bietet ihr Land der westlichen Atomindustrie als Atommülllager und Investitionsstandort an. Nach einem Plan des russischen Atomministers Jewgeni Adamow, der der taz vorliegt und der von der russischen Regierung gestern prinzipiell angenommen wurde, sollen in den nächsten zwanzig Jahren 23 neue Reaktoren gebaut werden. Erstmals soll auch Atommüll aus dem Westen importiert werden.

Auf der bisherigen gesetzlichen Grundlage kann nur Abfall aus Reaktoren importiert werden, die von Russen gebaut wurden, also aus ehemaligen Sowjetrepubliken. Mit dem neuen Plan öffnet sich Russland erstmals auch Importen aus anderen Ländern. Der Müll soll dann gegen Geld entweder endgelagert oder aufgearbeitet werden. Mit den Gewinnen soll der Bau neuer Reaktoren teilfinanziert werden. Außerdem werden die Stromtarife erhöht. Eine Gesetzesinitiative zur Aufhebung des Importverbotes wurde in Russland angekündigt.

Nach dem Exportverbot in der Koalitionsvereinbarung der deutschen rot-grünen Regierung wird in dem Geschäft allerdings kein deutscher Müll dabei sein. Interesse zeigte dagegen schon die Schweizer Atomindustrie.

Die meisten der geplanten Kraftwerke sind schnelle Brüter und sollen im Westen des Landes gebaut werden. Dazu will Russland einen geschlossenen Brennstoffkreislauf aufbauen.

In Russland protestierten Umweltschützer scharf gegen die Pläne. „Das ist absoluter Wahnsinn“ sagte Wladimir Sliwijak, Direktor der Anti-Atom-Kampagne des Umweltbündnisses „Sozialökologische Union“ gegenüber der taz. „Es gibt hier keine Möglichkeit, Atommüll sicher zu lagern.“ Ob das „Horrorszenarium“ Wirklichkeit werde, liegt laut Tobias Münchmeyer, Atomexperte bei Greenpeace International, nun beim Westen.

Nächste Woche findet in Moskau ein EU-Russland-Gipfel statt. Laut EU-Kommissionspräsident Romano Prodi gehört das Thema atomare Sicherheit zwischen den EU-Ländern und Russland grundsätzlich zur „größten Herausforderung“ der nächsten Jahre. Er meint damit jedoch nur die Stilllegung veralteter Reaktoren, Atomkraftwerke und Militärausrüstungen. MAIKE RADEMAKER

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