Mit besonderem Flair aus dem Tiefschlaf

Die Fußballer des TuS Makkabi sind Meister. Zwar nur in der Kreisliga B, 2. Abteilung. Doch für das Team ist das ein großer Erfolg. 1898 war der Vorläufer des Clubs als erster jüdischer Sportverein Deutschlands gegründet worden

Dieser Text handelt vom frisch gebackenen Meister und Aufsteiger der Kreisliga B, 2. Abteilung. Kreisliga B? Schön und gut, werden sich einige denken, wen interessiert denn ein Verein aus dem Nirgendwo des Berliner Fußballs. Aber genau in jenen Niederungen kickt der Turn- und Sportverein Makkabi. Der Klub ist nicht irgendein Klub. Er kann auf eine weltweit einzigartige Tradition zurückblicken.

Die fing am 22. Oktober 1898 an. Eine Gruppe von turnbegeisterten Akademikern gründete den ersten jüdischen Sportverein Deutschlands, „Bar Kochba Berlin“, benannt nach dem jüdischen Anführer gegen die römische Unterdrückung im 2. Jahrhundert nach Christi Geburt.

Der zionistisch ausgerichtete Turnverein war die Keimzelle der internationalen jüdischen Sportbewegung „Makkabi“, dessen Weltverband 1921 in Karlsbad gegründet wurde. Elf Jahre später fand die erste Makkabia, die jüdischen Weltsportspiele, in Tel Aviv statt. Diese Art Olympiade wurde zuletzt vor drei Jahren ausgetragen und war ursprünglich als national-jüdische Bewegung entstanden, die sich an der Vorstellung eines „Muskeljudentums“ orientierte und den Fluchtpunkt Israel im Auge hatte. 1970 dann wurde der TuS Makkabi Berlin als Nachfolger Bar Kochbas gegründet.

Michael Kaschube und Michael Koblenz, die beim TuS Makkabi für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig sind, haben mit den alten Traditionen nicht mehr viel im Sinn. Und das dokumentiert nicht nur ihr fesches, eloquentes Auftreten. Der Verein ist heute weder national noch zionistisch, im Dezember vergangenen Jahres wurde ein neuer Vorstand gewählt. Aufbruchstimmung herrscht.

„Wir versuchen, den Verein weiter zu öffnen, ihn erfolgreich zu machen. Der war ein bisschen im Tiefschlaf“, sagt Kaschube. Man will kein „Sportverein wie jeder andere“ sein, sondern einer „mit einem besonderen Flair“. Die Drucklegung einer Vereinszeitung und ein Internet-Auftritt stehen unmittelbar bevor.

Der Verein konnte im letzten halben Jahr etwa 100 neue Mitglieder gewinnen, nun messen sich insgesamt 600 aktive Sportlerinnen und Sportler in zehn Sparten. Besonders die Rhythmische Sportgymnastik und die Schachabteilung konnten vom Zuzug osteuropäischer Juden nach Deutschland profitieren. Beim königlichen Spiel wird inzwischen fast ausschließlich Russisch gesprochen.

Ähnlich wie die Jüdische Gemeinde in Berlin, die mit etwa 12.000 Mitgliedern die größte Deutschlands ist, profitiert auch der TuS Makkabi vom Zusammenwachsen Europas, leider auch vom offenen oder latenten Antisemitismus in vielen Nachfolgestaaten der Sowjetunion.

Makkabi ist weit mehr als eine Heimat für sportinteressierte Juden, nur etwa zwei Drittel der Mitglieder sind mosaischen Glaubens, praktizierende Juden jedoch eher die Ausnahme. Kaschube und Koblenz legen großen Wert darauf zu betonen, dass Makkabi „integrativ“ arbeitet. „Nichtjüdische Mitglieder sind uns genauso willkommen wie jüdische, ein gewisses Interesse an jüdischer Kultur und Tradition verbindet uns schon, mehr nicht“, sagt Koblenz. „Wir sind kein Interessenverein und eher unpolitisch.“

Dass es auch über 50 Jahre nach der Shoah immer noch etwas Besonderes ist, als Jude in Berlin zu leben, wissen auch die Makkabianer. Beschimpfungen oder Entgleisungen sind aber die Ausnahme.

Für Michael Koblenz, der in der deutsch-jüdischen Fußball-Nationalmannschaft spielte und schon an einer Makkabia teilnahm, ist es immer noch „ein bisschen verrückt“, als deutscher Jude nicht nur sein Team, sondern auch die Deutschen und Deutschland in Europa und Israel zu vertreten.

Beim TuS Makkabi werden zwar noch ein paar jüdische Traditionen geflegt und der Berliner Fußballverband wird gebeten, die Spiele nicht am Samstag stattfinden zu lassen – was dieser auch fast immer einrichten kann –, aber ansonsten möchten sie keine Extrabehandlung erfahren.

Es geht aufwärts für den TuS Makkabi. In der kommenden Saison wartet immerhin schon die Kreisliga B, 1. Abteilung.

MATHIAS STUHR