Clinton schirmt Kritik ab

US-Star Bill Clinton auf Europatournee: Im Gepäck hat er eine Reketenabwehrtechnologie.Ab heute konferiert er mit 13 weiteren Staats- und Regierungschefs über „Modernes Regieren“

WASHINGTON taz ■ Auf seiner Europareise hat US-Präsident Bill Clinton für seine Gastgeber ein besonderes Geschenk im Gepäck: ein neues Raketenabwehrprogramm, genannt National Missile Defense (NMD).

Im portugiesischen Queluz kündigte Clinton am Mittwoch an, auch andere „zivilisierte Nationen“ sollten von der Technik profitieren, mit der die USA sich vor Raketenangriffen so genannter Schurkenstaaten, und zwar Nordkorea, Iran und Irak, schützen wollen. Mit diesem Angebot soll europäische und russische Kritik an NMD besänftigt, wenn nicht gar abgebogen werden. NMD ist nämlich nicht nur zum Zankapfel im amerikanischen Wahlkampf geworden, sondern sorgt auch bereits für internationale Irritationen: Europäer befürchten, dass sie bei Drohungen gegen die Nato ungeschützt im Regen stehen. Die Russen hingegen fürchten, dass in der alten Mathematik der Abschreckung ihr Atomraketenarsenal wertlos wird. Bestätigt wird diese Befürchtung von einer gestern in der Washington Post veröffentlichten Studie, wonach das Frühwarnsystem Russlands weitgehend blind gegenüber amerikanischen Raketen ist.

Clintons Angebot lautet jedoch mitnichten, auch Europa unter den Schirm zu nehmen –dazu wäre das Programm auch noch gar nicht im Stande. Den Europäern würde lediglich die notwendige Technologie zugänglich gemacht. Von Clintons Pressesprecher war bislang nicht zu erfahren, ob die USA auch Russland zu den „zivilisierten Nationen“ zählen. Ob Clinton darüber bei seinem Deutschlandbesuch Auskunft geben würde, war gestern noch unklar – um fünf Uhr landete Mr. President in Berlin. Hier beginnt heute Abend die Konferenz „Modernes Regieren“, auf der sich Clinton im Verein mit 13 weiteren Staats- und Regierungschefs mindestens über Gott und die Welt auseinandersetzen wird. Vielleicht auch über den Schutz Letzterer. PETER TAUTFEST

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