Leben im Widerstand

„Rückkehr unerwünscht“: Die Biografie der Hamburger Kommunistin Barbara Reimann  ■ Von Theo Bruns

Die Idee entstand am 50. Jahrestag der Befreiung des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück: die Widerstandsgeschichte auch der Frauen aufzuzeichnen, die nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit standen. Das dies ein durchaus lehrreiches Unterfangen ist, haben nun Franziska Bruder und Heike Kleffner bewiesen, indem sie die Biografie der heute achtzigjährigen Barbara Reimann, geb. Dollwetzel, aufschrieben.

Es ist die Geschichte einer „ganz normalen Hamburger Arbeiterfamilie“, in der Kommunistin zu sein nichts Außergewöhnliches war. Gegen Ende der Weimarer Republik wird Barabara Dollwetzel Mitglied des Jungspartakusbundes. Auseinandersetzungen mit der Hitlerjugend sind alltäglich. 1932 kommt es im Stadtteil Falkenried zu einem bewaffneten Zusammenstoß mit der SA, bei dem Otto Blöckers, ein HJ-Mitglied, getötet wird. Nach Barbaras Brüdern Heinrich und Erich Dollwetzel wird gefahndet. Als wenig später die Nationalsozialisten die Macht übernehmen, setzen sich die beiden in die Sowjetunion ab. Ihre Geschichte ist Teil einer bis heute weitgehend unerforschten kommunistischen Basismilitanz. Beide werden in späteren Jahren Opfer stalinistischer Verfolgung.

Da die Polizei der Brüder nicht habhaft werden kann, richtet sich ihre Wut gegen den Vater, der im September 1933 in Gestapohaft erschlagen wird. Als 1942 das Gerücht umgeht, dass der Bruder Heinrich als Fallschirmspringer über Deutschland abgesetzt werden soll, wird auf die Familie der ehemalige Kommunist und Spanienkämpfer Alfons Pannek als Spitzel angesetzt. Zahlreiche Kommunisten fallen durch ihn der Gestapo zum Opfer. Am 16. Juni werden auch Barbara, ihre Mutter Clara und ihr Stiefvater, der später bei der Versenkung der Cap Arcona stirbt, verhaftet und in den B-Flügel des Zuchthauses Fuhlsbüttel, das berüchtigte Gestapogefängnis Kolafu, gebracht.

Die Anklagepunkte lauten u.a. Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung. Da vor Gericht die Identität des Gestapospitzels auffliegen würde, kommt es jedoch nicht zum Prozess, und Barbara Dollwetzel und ihre Mutter werden in das KZ Ravensbrück verschleppt. „Rückkehr unerwünscht“ lautet der eindeutige Transportbefehl.

Ravensbrück war das zentrale Frauenkonzentrationslager des nationalsozialistischen Regimes. Zwischen 1939 und 45 waren dort ca. 132.000 Frauen aus mehr als 20 Ländern interniert, von denen nur 40.000 überlebten. Vor der anrückenden Roten Armee wird das Lager schließlich im April 1945 evakuiert und ein Großteil der Häftlinge auf den Todesmarsch geschickt. Barbara und ihrer Mutter gelingt die Flucht. Endgültig in Sicherheit sind sie allerdings erst, als sie in Schwerin eintreffen. Am 3. Mai wird es von den Amerikanern befreit.

Zurück in Hamburg müssen sie feststellen, dass ihre Wohnung und Teile des Hausrats im Besitz ehemaliger Gestapo-Spitzel und -Beamten sind. Um die Rückgabe ihres Eigentums müssen sie kämpfen. Barbara Dollwetzel schließt sich dem Komitee der ehemaligen politischen Gefangenen an, das eine Villa in der Marie-Louisen-Straße bezieht. Eine vordringliche Aufgabe ist die Erstellung einer Lagerdokumentation, welche die Daten der Häftlinge, aber auch der SS-Wachmannschaften enthält. In den Nachkriegsprozessen gegen das Personal der Hamburger Gestapo wird Barbara D. als Zeugin gehört. Später muss sie erleben, wie während des Kalten Krieges die alten Nazis auf ihre Posten zurückkehren oder ungeschoren davonkommen. Der Gestapospitzel Pannek wird 1951, Henry Helms, der Leiter der für die Bekämpfung der „Linksopposition“ zuständigen Gestapo-Abteilung, 1953 aus der Haft entlassen. Zu dem Zeitpunkt ist Barbara Reimann bereits nach Ost-Berlin umgezogen.

„Ravensbrückerin“ ist sie bis heute geblieben. Trotz aller erlebten Schrecken möchte sie die Zeit in Ravensbrück aufgrund der von den Mithäftlingen erfahrenen Solidarität nicht missen, lautet ihr erstaunliches Fazit. „Ravensbrückerin“ zu sein bedeutet für sie auch eine Verpflichtung: Bis heute ist sie in der Lagergemeinschaft aktiv. Zuletzt engagierte sie sich für die Entschädigung der ZwangsarbeiterInnen.

Franziska Bruder/ Heike Kleffner (Hg.): Die Erinnerung darf nicht sterben. Barbara Reimann – Eine Biografie aus acht Jahrzehnten Deutschland, Unrast-Verlag, Hamburg/Münster, April 2000, 270 Seiten, 24, 80 Mark