Gefährdetes Paradies auf Erden

■ Vielleicht werden die Altstädte von Damaskus und Aleppo mit Oldenburger Hilfe gerettet. In einer Ausstellung ist jetzt zu sehen, was es kostet, ein Weltkulturerbe zu erhalten

„Wenn es das Paradies auf Erden gibt, dann gehört Damaskus ohne Zweifel dazu; und wenn das Paradies im Himmel liegt, dann ist Damaskus sein irdisches Gegenstück“, schrieb 1184 der andalusische Reisende Ibn Jubair. Und der Schweizer Kulturhistoriker Ivo Zanoni schreibt 1999: „In Aleppo zu erwachen ist ein Glück!“ Die tausend Jahre auseinanderliegenden Begeisterungen über diese ältesten Städte der Welt, die Viermillionenstadt Damaskus und die 1986 zum Weltkulturerbe erklärte Dreimillionenstadt Aleppo in Syrien, können zwar ohne weiteres nachvollzogen werden. Sie haben aber schwere Risse bekommen. Sie sind so tief, dass der syrische Direktor des Oldenburgischen Museums für Naturkunde und Vorgeschichte, Mamoun Fansa, zusammen mit dem Tübinger Orientalisten Heinz Gaube und dem Oldenburger Städteplaner Jens Windelberg ein von Syrien angefragtes Sanierungsprojekt mit initiiert hat. Es wird jetzt in Oldenburg öffentlich vorgestellt. Und das war höchste Zeit, denn schon gab es Planungen, die Altstadt platt zu machen für ein modernes Geschäftszentrum mit breiten Straßen. „Wir sind keine Restauratoren“, so Jens Windelberg, der seit vier Jahren in Aleppo arbeitet, in der Pressekonferenz, „sondern Entwickler. Die Städte sollen wieder die funktionierenden Altstädte von Millionenmetropolen werden“.

Die Ausstellung, die am Sonntag um 11 Uhr in Anwesenheit der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorec-Zeul, eröffnet wird, zeigt eindrucksvoll die heutige Problematik der einst kulturell, wirtschaftlich und religiös wichtigen Städte zwischen dem alten Mesopotamien und Europa und die Herangehensweise und Methode der Sanierung. In der Altstadt von Aleppo – doppelt so groß wie die von Hannover – leben in den engen und verwinkelten Gassen mit 110.000 Menschen nur noch die Armen. Die Wasser- und Abwassersysteme sind so veraltet, dass Besserverdienende weggezogen sind. Auch in den berühmtem Suqs, den syrischen Basaren, kaufen fast nur noch TouristInnen. So muss umfangreich gedacht werden, um die Altstadt vor der Verslumung zu retten: günstige Kredite an die Bewohner, aber auch die Geschäftsleute zur Verbesserung ihrer Wettbewerbschancen, die Verbesserung von Stromnetz und Verkehr, die Wiederintegration von Kindergärten, Geschäften und kulturellen Einrichtungen. „Neues im Alten“ ist dabei das philosophische und praktische Motto. Finanziell wird das Projekt mit einer Million DM von Deutschland gefördert, eine weitere Million gibt Syrien selbst.

Um die sechs Jahre alte Arbeitsidee, die Methode und den Aufwand deutlich zu machen, verwenden die Aussteller Multimediadarstellungen, mit denen man auf Mouseklick sich sozusagen originalgetreu in den Städten bewegen kann: Dafür wurden über 4.000 Dias verarbeitet. Anschaulich aufbereitet in Bildern und Texttafeln, auch den in Syrien gefundenen ersten Keilschrifttafeln, sind die Geschichten der Städte seit ihrer Gründung circa 6000 vor Christus über antike, christliche und islamische Einflüsse. Dazu gibt es aufschlussreiche Exponate, die das aleppinische und damaszenische Alltagsleben zeigen: die Häuser mit ihren typischen Innenhöfen, Geschirr, Kleider und vieles mehr. „Protzig und verspielt sind die Häuser von Damaskus, hart und klar die von Aleppo“, sagt Jens Windelberg, der für die Entwicklungsgesellschaft GTZ in dem Projekt arbeitet.

Man hat dazu auch Leihgaben herangeschafft, so das berühmte, holzbemalte Aleppo-Zimmer aus Berlin und verschiedene Büsten aus dem Pergamon-Museum aus Berlin. Vielleicht wird's nach all der Arbeit ja wieder so, wie es einst Saulus erlebt hat, als er nach Damaskus kam und zum berühmten Paulus wurde: „Auf dem Weg nach Damaskus, nicht mehr weit von der Stadt, umstrahlte ihn plötzlich ein Licht vom Himmel“, steht in der Apostelgeschichte.

Ute Schalz-Laurenze

„Damaskus-Aleppo. 5000 Jahre Stadtentwicklung in Syrien“: 4. Juni bis 22. Oktober im Museum für Naturkunde und Vorgeschichte. Eröffnung Sonntag, 4. Juni, 11 Uhr. Dazu ein Katalog mit grundsätzlichen Aufsätzen zur Kultur und Stadtgeschichte, 356 Seiten, 49 Mark