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Ich habe noch nichts gegessen

Sein neuer Film ist eine Komödie über die Todesstrafe. Aber in Deutschland fühlt er sich als Künstler zu ernst genommen. Ein Exklusiv-Interview mit dem Regisseur Wim Wenders

Aus Los Angeles wurde der Wahrheit ein Interview mit einem der ganz Großen Hollywoods zugespielt, der hier seine sehr persönlichen Ansichten erstmals und exklusiv dem Publikum mitteilt.

taz: Herr Wim Wenders, Sie haben noch einen Koffer in Berlin?

Wim Wenders: Ja, da verrate ich sicher kein Geheimnis, wenn ich sage: Berlin ist für mich die Hauptstadt von Deutschland.

Ihr neuer Film „The Million Dollar Hotel“ spielt allerdings in L.A.

Ja, dort steht auch das Hotel. So ein Hotel kann nur dort stehen. Es ist ein Hotel in Los Angeles, das in Los Angeles steht. Durchs Fenster sieht man Amerika. Und im Hotel wohnen Amerikaner. Das ist natürlich alles sehr amerikanisch. Deshalb wollte ich den Film auch in Amerika drehen. Die Idee ist von meinem Freund Bono. Ich habe alle seine Platten.

In diesem Film hört man endlich wieder die alte Wenders-Melodie. Ist Wim Wenders bei sich angekommen?

Ich wollte einen leichten Film machen, der von den Gefühlen der Hauptfiguren lebt. Das Leben ist voll von Geschichten. Man muss sie erzählen.

Die Figuren sind auch wie aus dem Leben gegriffen. Ein erfolgloser Schriftsteller, dessen Vater Milliardär ist. Ein schizophrener Hippie, der sich für den fünften Beatle hält. Ein FBI-Agent, dem als Kind eine Hand aus dem Rücken gewachsen ist. Die eigentliche Hauptfigur ist das Leben. Wie war die Arbeit mit den Stars? Wim Wenders sieht aus dem Hotel-Fenster. Herr Wenders? Entschuldigung. Haben Sie das Licht gesehen? Jetzt ist es schon wieder weg. Wie war die Frage? Wie war die Arbeit mit den Stars? Mel Gibson ist ein großartiger Schauspieler. Er hat extra seine Blinddarmoperation unterbrochen, um mit mir drehen zu können. Und Milla Jovovich ist eine großartige Schauspielerin. Ich könnte sie mir sehr gut bei mir im Bett vorstellen. Sie würde sicher bessere Orgasmen vortäuschen als meine Frau. Und Tim Roth? Tim ist ein großartiger Schauspieler. Ohne ihn hätte ich den Film nicht gedreht. Er ist aber nur zwei Minuten im Bild zu sehen. Ja, aber ohne diese zwei Minuten wäre der Film sicherlich zwei Minuten kürzer. Er hat aber in dieser Rolle gar keinen Text zu sprechen. Tim braucht keinen Text. Er hat eine unglaubliche Präsenz. Wenn er jetzt hier wäre, würden Sie staunen, wie präsent er ist. Herr Wim Wenders, Musik war Ihnen immer wichtig. Sie haben ja sogar einen eigenen CD-Player zu Hause, und Sie sind befreundet mit Bono. Hat Wim Wenders im Moment eine Lieblingsplatte? Ich höre alles, auch schräge Sachen wie Techno. Ich wirke immer so steif, dabei bin ich oft ein komischer Vogel. Tanzen, das passiert mir auch, durchaus. Dann wirbele ich plötzlich durchs Zimmer. Ich muss den Blitz, der durch Musik in mich hineinfährt, auch physisch ableiten. Was sagen Sie zum neuen Potsdamer Platz? Der „Himmel über Berlin“ hatte hier eine zentrale Szene. Ich finde es toll, wie sich hier alles bewegt. Wenn ich denke, wie wenig sich hier früher bewegt hat, und jetzt kann man förmlich dabei zugucken, wie alles in Bewegung ist. Woran arbeiten Sie zur Zeit? An einer Komödie über die Todesstrafe. Eigentlich sind ja alle meine Filme Komödien. Aber in Deutschland wird man immer so ernst genommen. Wer wird die Hauptrolle spielen? Meine Frau. Sie wirken gelassener als früher. Seit ich auf Kuba war, nehme ich alles viel leichter. Die Menschen dort verhungern und machen so schöne Musik dabei. Davon sollten wir uns eine Scheibe abschneiden. Ich hab heute zum Beispiel noch nichts gegessen. Und ich fühle mich prächtig. In Ihrem neuen Film bringen sich gleich zwei Menschen um. Ja, aber es sind doch sehr optimistische Selbstmorde. Der Held findet dabei endlich zu sich. Wer kann das heute schon von sich behaupten. Er findet zu sich, während er vom Haus fällt? Es ist nie zu spät, zu sich zu finden. Das wollte ich damit sagen.

Interview JOCHEN SCHMIDT

Zitat:„Entschuldigung. Aber haben sie das Licht gesehen? Jetzt ist es schon wieder weg. Wie war die Frage?“

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