Fernsehen in der Mehrzweckhalle

Ohne Kameras geht es nicht: Die Live-Tour der „Wochenshow“-Crew um Frontmann Ingolf Lück kommt beim Publikum nur mäßig an. Die Bühnenadaption des darbenden TV-Formats lebt von routinierten Gags, Innovationen wurden keine riskiert

aus Erfurt NADINE LANGE

Das Publikum weiß Bescheid: Während des Vorspanns muss ausgeflippt werden. So ist das im Fernsehen ja auch immer. Also klatschen und johlen die ErfurterInnen eine halbe Minute lang, obwohl niemand auf der Bühne steht. Dafür flimmern die zwei riesigen Leinwänden daneben: Die vier „Wochenshow“-Comedians werden vorgestellt – genau wie jeden Samstagabend bei Sat.1. Wiedererkennungswert: 100 Prozent.

So wird es auch in den nächsten zwei Stunden bleiben. Anke Engelke rast als wahnwitzige Talkshow-Leiterin Regine Hildebrand über die Bühne und brüllt: „Bin ick schön?“ Dieselbe Nummer war schon in der letzten Fernsehfolge zu sehen.

Trotzdem zünden die Pointen ein zweites Mal, denn Anke spricht so schnell wie ihr Vorbild. Da kriegt man nie alles auf Anhieb mit. Als sie beim wilden Gestikulieren plötzlich ihre angeklebte Nase verliert, kommt einmal kurz das Gefühl auf, dass das hier wirklich live ist und kein Fernsehen. Mit einem lockeren Spruch, der genau ins Talkthema passt, überbrückt Engelke die Panne. Oder war das vielleicht sogar ein neuer Gag?

„Die Bühnenshow fängt da an, wo die normale Wochenshow aufhört. Wir drehen die Charaktere weiter,“ sagt Bastian Pastewka. Außer bei Regine, die noch ein bisschen wilder ist als sonst, merkt man das allerdings kaum. Pastewkas Brisko Schneider etwa bleibt immer brav im bekannten Rahmen: Mit gewohnt tuntigen Handbewegungen und näselnder Stimme berichtet er über sein neues Intim-Piercing oder stellt ein kleines Rätsel. Auch die hübsch-grazile Fahrt auf einem Kickboard erschließt keine neuen Facetten der Figur Brisko.

Das Übliche ist allerdings genau das Gewünschte. Das Publikum fiebert jedem „Jo“ von Ottmar Zittlau entgegen und freut sich schon am Anfang des Nachrichtenblocks darauf, endlich auch mal „Danke Anke!“ schreien zu dürfen. Es ist wie bei einem Popkonzert: Auf die Hits warten und die Refrains mitsingen. Für Improvisation bleibt den Sat.1-KomikerInnen praktisch kein Raum. Nur zum Auftakt reißt Ingolf Lück einige Witzchen mit Lokalbezug. Diese Starrheit kommt daher, dass die „Wochenshow“ auch live eine Fernsehsendung ist und kein Bühnenprogramm. Alles wird für die beiden Leinwände neben der Bühne inszeniert: Die Stars sprechen mehr mit den Kameras als ins Publikum oder gar mit dem Publikum.

Die ZuschauerInnen auf den Rängen verfolgen das Programm fast nur über die Leinwände. Aber auch die weiter vorne Sitzenden haben nicht viel von ihrer geografischen Nähe zum Geschehen: Ständig sind Kameras im Blickfeld. Zwei stehen vor der Bühne, und ein Kameramann mit geschultertem Gerät rennt sogar zwischen den Comedians herum. Zudem schwingt eine Kamerakran über die Köpfe des Publikums.

„Die Show und die Comedians hautnah erleben“ – so nennt das „Wochenshow“-Produzent Ralf Günther von Brainpool TV. Er ist mächtig stolz darüber, dass seine Sendung die erste Comedy auf Tournee ist.

Und natürlich bestimmt die Sendung, wie die Tournee aussieht: „Wir wollen in technischer Hinsicht dieselbe Qualität erreichen wie im Fernsehen“, sagt Günther. Die Leute sollen kriegen, was sie kennen und können später erzählen, sie waren „hautnah“ dabei. Dass sie eigentlich nur in einer großen Halle bei einer Fernseh-Liveübertragung dabei waren, fällt nicht weiter auf. Bei weniger technischem Zinnober wären sie sicher enttäuscht – schließlich ist das Ganze ja auch eine Parodie des Mediums. Ohne Kameras geht es also kaum.

Aber wozu dann überhaupt eine Live-Show? Wozu fernsehen auf harten Stühlen, ohne Bier und ohne Chips? Vielleicht wegen der Gesangsnummern. Die sind nämlich die einzige Neuerung gegenüber der Fernseh-„Wochenshow“. Sogar Markus Maria Profitlich macht dabei endlich mal Punkte – als „Sexbomb“ Tom Jones. Und Uschi mit ihrem live gesungenen „Aufpassen“-Blues, den sie auf einer Gitarrensaite begleitet, ist ebenfalls ein kleiner Höhepunkt des Programms. Die Idee zur „Wochenshow“-Tour entstand vergangenes Jahr: Zu einem einmaligen Live-Programm in Saarbrücken waren rund 20.000 BesucherInnen gekommen, und daran will man jetzt anknüpfen.

Dreizehn Städte standen zunächst auf dem Spielplan. Fünf wurden wieder gestrichten – wegen „logistischer Probleme“, wie Brainpool-Pressesprecherin Susanne Lösser versichert. Mit dem Kartenvorverkauf habe das nichts zu tun, der sei „durchschnittlich gut“. Nicht auf der Streichliste stand Berlin. Dort wird die „Wochenshow“ morgen in der Waldbühne zu Gast sein.

„Das ist die härteste Station der Tour“, sagt Ingolf Lück. Vielleicht auch zu hart. Der einzige Open-Air-Auftritt des Quartetts könnte leicht zu einem Debakel werden: Die Waldbühne ist eine der größten Arenen der Stadt. Auf ihren Brettern stehen normalerweise Bands wie Bon Jovi oder Metallica, die leicht massenweise Fans anlocken. Die Blödel-Crew hat nicht einmal die Mehrzweckhalle der Messe Erfurt füllen können: Ein Viertel der Plätze blieb leer.

Probleme mit der Zuschauergunst hat die „Wochenshow“ nicht nur bei ihrer Tournee: Auch die Einschaltquoten haben stark nachgelassen. Früher erreichte die 1996 gestartete Show in der jungen Zielgruppe einen Marktanteil von bis zu 35 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es rund 24 Prozent und bei der aktuellen Staffel nur noch 19 Prozent. Immerhin war das Premierenpublikum in Erfurt genau in dem Alter, das sich die Werbetreibenden immer wünschen: zwischen 16 und 49 Jahren.

Es ist abzusehen, dass die Wochenshow nach der Sommerpause noch mehr ZuschauerInnen einbüßen wird. Dann nämlich läuft die Sendung ohne die beliebte Anke Engelke weiter, die sich auf ihre Comedy-Serie „Anke“ und TV-Specials konzentrieren will.

Wie schwer die lustige Anke zu ersetzen sein wird, zeigt auch das Finale des „Wochenshow“-Bühnenprogramms: In einer besonders langen Sonderausgabe von „Rickys Popsofa“ demonstriert sie noch einmal die Kunst des blödsinnigen Missverstehens und der naiven Beleidigung – „endgeil“.

Noch ein Tipp für BesucherInnen der Show: Nach dem Abgang der vier nicht gleich rausrennen, sondern noch ein bisschen klatschen. Auf Bühnen gibt es nämlich keinen Abspann, sondern eine so genannte Zugabe. Das hat viele ErfurterInnen ehrlich überrascht. Sie wollten sich schon zum Auto zappen.