US-GERICHT LEHNT ASYLANTRAG FÜR DEN KUBANISCHEN JUNGEN ELIÁN AB
: Eine Frage der Opportunität

Verkehrte Welt: In Amerika trauern Konservative und jubeln Liberale über einen abgelehnten Asylantrag. Gilt denn Asyl nicht als eines jener Rechte, für dessen Ausweitung sich die Anwälte der Armen, Unterdrückten und Kinder ebenso leidenschaftlich einsetzen, wie Nationalisten, „Überfremdungs“- und Einwanderungsgegner dessen Beschränkung fordern?

Der Asylantrag, den seine Miamier Verwandten für den 6-jährigen Elián Gonzáles gestellt hatten, ist vom Gericht abgelehnt worden. Schafft dieses Urteil einen Präzedenzfall? Wird damit nicht der ohnehin schmale Türspalt, durch den Flüchtlinge vor politischer Verfolgung in die USA schlüpfen können, noch enger? 4.600 Kinder sitzen in den USA in Abschiebehaft. Das Recht auf Asyl ist selten ohne Ansehen der Person und vor allem nicht ohne Ansehen des Regimes gehandhabt worden, dem Asylsuchende entkommen wollten. Flüchtlinge aus Kuba werden in den USA anders behandelt als Nicaraguaner, so wie in Deutschland Polen und Türken immer anders behandelt werden als ehemals DDR-Flüchtlinge und Wolgadeutsche.

Was das Gericht in Atlanta abgelehnt hat, war letztlich nicht der Asylantrag, sondern richterliches Eingreifen in die Kompetenz der Exekutive, deren Handeln von einer Novelle des Einwanderungsgesetzes aus dem Jahre 1997 bestimmt ist, das den Spielraum von Gerichten bei der Überprüfung von Asylentscheidungen eng begrenzt. Das Gericht hatte nicht darüber zu entscheiden, wie die Einwanderungsbehörde den Fall Elián Gonzáles behandelt hat, sondern nur, ob sich die Behörde an Recht und Gesetz gehalten und nicht gegen die guten Sitten verstoßen hat. Das Gericht bestätigte einerseits die Auslegung des Gesetzes durch die Miamier Verwandten, die darauf pochten, dass „jedermann“ das Recht auf einen Asylantrag hat, was Kinder nicht ausdrücklich ausschließt. Und das Gericht räumte auch ein, dass es nicht gleichgültig ist, ob Kinder zu ihren Eltern in ein freies Land oder eine Diktatur zurückgeschickt werden. Es beharrte nur darauf, dass Asylpolitik Teil der Außen- und Innenpolitik ist und somit der Exekutive untersteht.

Adressat einer Kritik an der Asylpolitik der USA sind also nicht die Gerichte, sondern das Parlament. Amerikas restriktives neues Einwanderungsgesetz entstand zu einer Zeit, da sich aus Ausländerfeindlichkeit noch politisches Kapital schlagen ließ. Diese Zeiten sind vorbei – nicht, weil es einen Sinneswandel gegeben hätte, sondern weil Arbeitskräftemangel herrscht. Letztlich richtet sich Einwanderungs- und Asylpolitik immer nach politischer Opportunität. Die nehmen Kubaner und Amerikaner unterschiedlicher politischer Haltung eben sehr unterschiedlich auf. PETER TAUTFEST