Aufstand von rechts „für die Würde der Frauen“

Vor der UN-Sondergeneralversammlung in New York nächste Woche mobilisieren konservative Kräfte verschiedener Religionen gegen Frauenrechte

NEW YORK taz ■ Abtreibungsgegner und Verfechter einer konservativen Familienideologie machen derzeit mobil in Nordamerika. Wenn nächste Woche die UNO fünf Jahre nach der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking Bilanz zieht, will eine Phalanx konservativer Kräfte mitmischen. Und zwar kräftig. „Wie können wir Mutterschaft zum zentralen Punkt machen?“ – so der Titel einer Veranstaltung, die christlich-fundamentalistische Gruppen gemeinsam mit der ägyptischen UN-Vertretung Ende April in New York organisierten.

In New York soll im Juni die Aktionsplattform von Peking bestätigt und den Regierungen unter die Arme gegriffen werden, damit sie ihre Fensterreden über Frauenrechte endlich tatkräftig umsetzen. Während Frauenaktivistinnen darin ein politisches Rezeptbuch sehen, wie Regierungen Frauen zu mehr Rechten, mehr Chancen und Gleichstellung in allen Lebensbereichen verhelfen können, schimpfen die christlichen Fundamentalisten es „eins der radikalsten und gefährlichsten“ Pamphlete, das Familie, Mutterschaft und Religion schwächen wolle und Kondombenutzung und Abtreibung propagiere.

Dagegen trat das Bündnis der Konservativen bereits bei der Vorbereitungstagung im März in New York an. 270 Mitglieder, überwiegend Männer, wurden akkreditiert, darunter eine für UN-Säle und Frauenkonferenzen ungewohnte Zahl von kuttengewandeten Mönchen wie die „Franciscan Friars of the Renewal“, die durch Blockaden von Abtreibungskliniken in den USA auffällig geworden sind.

Intensive Lobbyarbeit betrieben die Konservativen bei Regierungsdelegationen, damit sie fortschrittliche Passagen der Aktionsplattform von Peking zurückschrauben. Bei den Nichtregierungsorganisationen, vor allem bei den täglichen Treffen der „Jungen Frauen“ traten sie regelmäßig als Störer auf, mit Fotos von Föten, mit Gebeten, Gesängen und Weihraucheinsatz. Auf die Frage, wofür sie beten würden, antworteten sie: „Für die Würde der Frauen.“ Sie blockierten Debatten, indem sie gebetsmühlenartig die Themen Abtreibung und Homosexualität einbrachten. In ihrer Konferenzzeitung Vivant zeichneten Autorinnen ihre Artikel mit „Mutter“ oder „Großmutter“. Feministinnen wurden in den UN-Korridoren von Betenden umzingelt, in der Stadt beschattet oder mit E-Mails eingeschüchtert.

Die starke Präsenz der nord-amerikanischen „Pro-Life“- und Antischwulen-Bewegungen ist ein Novum bei UN-Konferenzen. Doch das konservative Rollback zeichnet sich seit der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo 1994 ab, als der Vatikan die Festschreibung von Selbstbestimmungsrechten der Frau zu verhindern versuchte.

Im Bündnis mit islamischen Ländern wie Iran, Syrien, Algerien und Marokko und katholischen Gleichgesinnten wie Nicaragua, Honduras und Polen bemüht der Vatikan sich seitdem, die Beschlüsse von Kairo und Peking zu torpedieren. Der Frauenrechtsansatz sei zu „individualistisch“, es solle stattdessen die Beachtung der „Würde von Frauen“ gefordert werden, heißt es.

Zwar ist nicht nachweisbar, dass die christlich-fundamentalistischen Gruppierungen direkt vom Vatikan gesteuert sind. Klar ist aber, dass sie seine Argumentationen fortführen. Ihre Hassgegner sind die „Catholics for free Choice“. Diese Gruppe liberaler KatholikInnen macht sich seit Jahren erfolgreich für die Entscheidungsfreiheit der Frau in Sachen Sexualität und Geburtenkontrolle stark. Jetzt hat sie eine weltweite Kampagne initiiert, damit dem Vatikan sein Sonderstatus bei den Vereinten Nationen aberkannt wird: „Der Vatikan ist die Regierung einer religiösen Institution, nicht aber eines Staates.“ CHRISTA WICHTERICH

siehe auch Magazin, SEITE 3