Opposition in Simbabwe wird lebensgefährlich

Organisierte Gewalt gegen Regimegegner hat schon 30 Tote und 6.000 Flüchtlinge produziert. „Sie greifen jeden an, der lesen und schreiben kann“

JOHANNESBURG taz ■ Drei Wochen vor den Parlamentswahlen in Simbabwe wird der Wahlkampf immer gewalttätiger. Die gewaltsamen Übergriffe, die nach Untersuchungen von Menschenrechtsorganisationen vor allem von Anhängern der Regierungspartei Zanu-PF verübt wurden, haben bereits mehr als 30 Menschen das Leben gekostet, darunter auch fünf weißen Farmern. Einen neuen Höhepunkt erreichte die Gewalt am Donnerstag, als erstmals ein Kandidat der Oppositionspartei „Bewegung für demokratischen Wandel“ (MDC) zu Tode geprügelt wurde.

Noch sind die Kandidatenlisten der Opposition nicht offiziell bekannt, die Nominierungsfrist läuft heute Nachmittag aus. Viele MDC-Kandidaten leben allerdings schon längst in Angst und fürchten sich vor der Veröffentlichung der Listen. Wie MDC-Chef Morgan Tsvangirai am Donnerstag sagte, sei es lediglich in 25 der 120 Wahlkreise möglich, ungehindert Wahlkampf zu machen – meist in städtischen Gebieten. „In 49 Wahlkreisen ist das Ausmaß von Gewalt und Einschüchterung so groß, dass wir sie als zu unsicher für Wahlkampf ansehen“, erklärte Tsvangirai. Derzeit seien mindestens vier Kandidaten untergetaucht, einer sitze in Haft, und Häuser und Autos von MDC-Anhängern würden mit Brandbomben angegriffen.

Nach Angaben von ZimRights, einer der großen Menschenrechtsorganisationen in Simbabwe, sind bereits mehr als 6.000 Menschen vor der Gewalt auf dem Land in die Städte geflohen. Die Gewalt des regierungstreuen Mobs richtet sich aber mittlerweile nicht mehr nur gegen schwarze Farmarbeiter, die Präsident Robert Mugabe als wahlentscheidend betrachtet, sondern zunehmend gegen die intellektuelle Mittelschicht in den größeren Ortschaften und Städten. Dort hat die MDC neben den Arbeitersiedlungen ihren größten Rückhalt. In dutzenden von Schulen wurde in den vergangenen Wochen der Unterricht so massiv gestört, dass einige von ihnen schließen und die oft körperlich bedrohten Lehrer untertauchen mussten. „Sie greifen jeden an, der lesen und schreiben kann“, beschreibt ein MDC-Sprecher das Vorgehen der Zanu-Anhänger, das immer stärker an die Zeit der chinesischen Kulturrevolution erinnert.

Nicht nur ZimRights und die Opposition sind der Meinung, dass unter diesen Umständen freie und faire Wahlen nicht möglich sind. Zu einem ähnlichen Befund kam eine erste Gruppe von Beobachtern des weltweit angesehenen US-amerikanischen National Democratic Institute (NDI), die das Land Ende Mai besuchte. „Die Bedingungen für glaubwürdige demokratische Wahlen existieren in Simbabwe derzeit nicht“, sagte der Leiter der Gruppe, der Nigerianer Alex Ekwueme. „Die Gewalt hat dazu geführt, dass das Recht auf Meinungs-, Versammlungs- und Bewegungsfreiheit sowie das auf körperliche Unversehrheit aufgrund einer politischen Betätigung drastisch beschnitten wurden.“ In der kommenden Woche sollen auch die ersten 100 von insgesamt 160 EU-Wahlbeobachtern in Simbabwe eintreffen.

Mugabe indessen scheint an einer Deeskalation nicht interessiert zu sein. Erst am Donnerstag ermunterte er die Farmbesetzer, eine Mischung aus ehemaligen Kriegsveteranen, landlosen Kleinbauern und arbeitslosen Jugendlichen, mit ihren Besetzungen von mittlerweile mehr als 1.000 weißen Großfarmen weiter zu machen. „Wir sind sehr zufrieden damit“, sagte der 76-Jährige vor mehreren hundert jubelnden Anhängern in Harare. Zugleich kündigte er an, mit der Enteignung von weißen Großfarmen wie geplant zu verfahren. In der vergangenen Woche hatte Mugabe per Präsidentialdekret das Landgesetz dahingehend verändert, dass die Enteignung von insgesamt 841 Großfarmen ohne Entschädigungen rechtmäßig ist. Eine vorläufige Liste mit 804 Farmen wurde gestern in der regierungsnahen Tageszeitung The Herald veröffentlicht, die offizielle Liste sollte noch am Nachmittag folgen.

KORDULA DOERFLER