Al Bundy mutiert zum Frauenmörder

■ Wenig Überraschendes bei der Premiere von „Blaubart – Hoffnung der Frauen“ im TiK

Mythos Blaubart – In dem gerade in der Staatsoper aufgeführten Musikdrama von Bela Bartok fällt Judith von der Hand des abgründigen Burgfürsten. Ihre Liebe kann das Unheil, das von ihm ausgeht, nicht verhindern, und so folgt sie ihren verstorbenen drei Geschlechtsgenossinnen in das Reich der ewigen Dunkelheit nach. Nicht anders ergeht es Julia und fünf weiteren Frauen in Dea Lohers fröhlich-grotesker Stoffbearbeitung Blaubart – Hoffnung der Frauen, das im Rahmen des „Fox Force Five-Festivals“ im TiK Premiere hatte. Fünf junge Regisseure, alle Absolventen des Studienganges Schauspieltheater-Regie des nach dieser Spielzeit ausscheidenden Thalia-Intendanten Jürgen Flimm, inszenieren Stücke junger Autoren. Nach Leonard Koppelmann und Christian Schlüter war jetzt Ulrich Hüni an der Reihe. Der Absolvent von 1994 hat bislang in Frankfurt, Leipzig und Celle gearbeitet. Zum selbstgewählten Blaubart-Thema fiel ihm überraschend wenig ein.

Blaubart – Hoffnung der Frauen überträgt den alten Märchenstoff in die Gegenwart. Frauenmörder Heinrich Blaubart lebt nach außen die scheinbar unbescholtene Exis-tenz eines biederen Schuhverkäufers, der ahnungslos zur schicksalhaften Projektionsfläche für die Sehnsüchte von sechs Frauen wird und vor lauter Bindungskrampf zum Killer mutiert. Wenn man sich dazu den zweifellos grandiosen Darsteller Klaus Schreiber, bis 1993 festes Ensemblemitglied am Thalia, anschaut, wie er hier schüchtern den Blick senkt und sich mal über das gescheitelte Haar mal über den wolligen Pullunder streicht, so begreift man schwerlich, warum diesem Bubi sechs gestandene Frauen nachstellen, ihn bitten, sie zu küssen und sie „über die Maßen zu lieben“.

Die erste, die gutherzige Julia (Angelika Richter) verkörpert die ideale Liebe, sagt „Du bist es“ und will ihn sogleich vor den Traualtar zerren. Als er sich weigert, vergiftet sie sich. Danach bringt er in roher Weise die Esoterikerin Anna (Anja Herden) um, die Prostituierte Tanja (Jana Bauke), die abgeklärte Eva (Marina Wandruszka), die selbst schon sieben Ehemänner um die Ecke gebracht hat und ihn in einer grotesk-komischen Szene um Erschießung bittet, und Christiane, eine ausbrechende Hausfrau mit Vergewaltigungsphantasie (Sylvia Schwarz). Einzig die Blinde (Susanne Wolff) durchschaut den Killer und wird ihm hinterher selbst zum Verhängnis. Blaubart mimt die ganze Zeit den Unschuldigen und die Frauen wähnen noch den Tötungsakt als Ausdruck seines innigsten Gefühls. Seine Verzweiflung wächst proportional zur Anzahl der Leichen, die die als Irrgarten angelegte Bühne (Monika Morsbach) bevölkern. Doch je eindringlicher er selbst die Frauen vor dem Unglück warnt, umso verzweifelter stürzen die sich ins Verderben. Absurder geht es kaum mehr.

Dass diese vollkommen unrea-listischen Beziehungen einer radikalen stilistischen Überhöhung bedürfen, liegt auf der Hand. Hüni versucht dies mit der Überzeichnung einiger Textpassagen ins Klamaukhafte, was zum Teil aufgeht: Heinrich zu Tanja: „Ich bin nämlich Schuhverkäufer und habe deswegen einen Blick für einen sportlichen Beinbewegungszusammenhang.“ Gleichzeitig weicht er sein Konzept jedoch auf durch effekthaschende Albernheiten wie die frontale Mikroansage gegen die Zuschauer, unsinnige Videoprojektionen, deren Inhalt sich nicht erschließt und eine säuselnde Kaufhausmusik (Kai Dorenkamp).

Einzelne Momente – etwa wenn Heinrich Eva erst die Strumpfhose zerschießt und sie brüllt: „Zieh oder stirb, Django“, oder wenn er Christiane ein Gummiherz aus der Brust reißt – tragen dann wieder versöhnlich zur Erheiterung bei. Den Spaß hätte man sich durchgehend so radikal gewünscht.

Annette Stiekele

weitere Vorstellungen: heute, 17., 18., 24., 25. Juni, 20 Uhr, TiK