DER ATOMKONSENS STEHT. JETZT KOMMT ES AUF DIE DETAILS AN
: Harte Nuss für Atomkraftgegner

Atomkonsens ist wie Olympiade im Dauernebel: Die Zuschauer wissen, da laufen irgendwo im Stadion welche. Unklar ist dagegen, wo, und wer gewinnen wird. Immerhin sind die Läufer inzwischen auf der Zielgeraden angekommen, so viel ist dem Gemurmel aus dem Verhandlungsdunst zu entnehmen. Bis zu den Bundestags-Sommerferien will der Kanzler die Einigung auf dem Tisch haben, hieß es im April. Das könnte klappen, weil anscheinend nur noch ausgehandelt werden muss, wie das bisher nicht genehmigte, aber fertig gestellte Atomkraftwerke Mülheim-Kärlich mit in den Konsens eingerechnet wird. Für den Rest werden Laufzeiten von 30 bis 32 Jahren herausspringen.

Wer im Pulk aus SPD, Grünen und den Stromkonzernen schließlich beim Zieleinlauf die Nase vorne haben wird, hängt freilich an noch unbekannten Einzellösungen: Wie und wann wird die Wiederaufarbeitung im Ausland beendet, wo wird der Atommüll zwischengelagert, welche Region bekommt wie viele Endlager aufgebrummt, wie werden die noch zu erzeugenden Atomstrommengen aufgeteilt und berechnet? Und hier steckt der Teufel im Detail.

Die Atomgegner im Lande können sich also schon mal auf einiges gefasst machen: Atomkraftwerke können noch weit mehr als 20 Jahre laufen, je nach Gusto der Stromerzeuger. Bis auf ein altes Alibi-AKW wie Biblis A wird in absehbarer Zeit keines stillgelegt. Bald werden Castoren in die Zwischenlager rollen. Wenn sie künftig „Atomkraft – nein danke!“ oder den Sofortausstieg fordern, werden sie von Rot-Grün nur den lapidaren Hinweis erhalten, man habe schließlich in zähen Verhandlungen das Mögliche herausgeholt und alles sei abschließend geregelt. Hier eine Strategie zu finden, das Thema in der Öffentlichkeit am Köcheln zu halten, ist eine veritable Aufgabe für die Bürgerinitiativen an den Atomstandorten. Auf die Grüne Partei als überregionale Hilfe können sie nicht mehr wirklich zählen, solange die Bundesregierung rot-grün ist; das erfordert schon die Koalitionsräson.

Wenn in fünf oder zehn Jahren nicht einem weit größeren Teil der Bevölkerung klar ist, dass AKWs immer neuen Strahlenmüll produzieren, der bei akzeptablen Kosten nur notdürftig für ein paar tausend Jahre verscharrt werden kann, werden die Stromerzeuger je nach wirtschaftlicher Lage am Energiemarkt wieder ganz kühl die Alternativen durchrechnen: Wenn sie den Atommüll wie bisher billig loswerden, könnten neue AKWs profitabel sein. Und wen schert dann noch der Atomkonsens von damals? REINER METZGER