historiker: totalschaden
: Nur ein Rücktritt ist ein richtiger Schritt

Der nationalkonservative Historiker Ernst Nolte hat gestern einen Preis bekommen – und zwar von der nationalkonservativen „Deutschland Stiftung“. Ist das erstaunlich? Ein nationalkonservativer Laudator pries diese Ehrung als Verteidigung eines Andersdenkenden. Soll man sich darüber aufregen?

Allerdings. Denn die Lobrede auf den propagandistischen „Geschichtsphilosophen“ hielt ausgerechnet Horst Möller, der Direktor des Instituts für Zeitgeschichte. Dieses Institut galt bis 1992, bis zu Möllers Inthronisation durch Helmut Kohl, als zentraler Ort für die Erforschung des Nationalsozialismus. Dort wirkten renommierte Historiker wie Martin Broszat, Helmut Krausnik und Norbert Frei, und gerade dort stießen Noltes Thesen einst auf fundierte Kritik.

Kommentar von DANIEL HAUFLER

Am schärfsten tobte die Debatte um Nolte während des „Historikerstreits“ im Jahr 1986, als er einen kausalen Zusammenhang zwischen bolschewistischen Massenvernichtungen und dem späteren nationalsozialistischen Holocaust behauptete. Nolte fragte damals rhetorisch: „War nicht der Archipel Gulag ursprünglicher als Auschwitz? War nicht der Klassenmord das logische und faktische Prius des Rassenmordes der Nationalsozialisten?“ Der Holocaust ist für Nolte eine im Grunde nachvollziehbare, gewissermaßen präventive Abwehrreaktion gegenüber der Bedrohung aus dem Osten gewesen. Diese historische Spekulation war 1986 unhaltbar und nicht belegbar – und daran hat sich durch die Forschung bis heute nichts geändert.

Dennoch hat Nolte seine Spekulation auch in späteren Beiträgen und Büchern klar und eindeutig wiederholt. Wenn also Horst Möller in seiner Laudatio behauptet, Ernst Nolte sei oft „zu Unrecht missverstanden worden“, so kann er nur Presseberichte meinen. Fachwissenschaftler wie Hans-Ulrich Wehler haben Noltes These detailliert geprüft und verworfen.

Dass Horst Möller diese Debatte ignoriert und als Vertreter des Instituts für Zeitgeschichte Noltes Ansatz im Wesentlichen verteidigt (er distanziert sich nur von Noltes Versuchen des „historischen Verstehens“), offenbart vor allem eins: Er teilt Noltes Konzept der Totalitarismustheorie, er glaubt, dass sich der Nationalsozialismus vor allem aus dem Gegensatz der großen Ideologien erklären lässt. Das passt. Schließlich haben Totalitarismuskonzepte seit 1989 Konjunktur. Möller macht da nur mit. Für den Direktor eines renommierten Instituts ist das zu wenig.

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