Sex als ganz normaler Job

Diskussion um Prostituiertengesetz: Huren sollen mit ihrem Bordell Arbeitsverträge abschließen können. Dann wären sie auch krankenversichert. Doch das versprochene Gesetz lässt auf sich warten

von HEIDE OESTREICH

Da stürmt sie ans Saalmikrofon, mit Lack und Netz behäutet und mit einer Peitsche bewehrt, Lady Linda, die Domina, und schleudert dem Moderator entgegen: „Du hast gegrinst, als ich was gesagt habe. Entschuldige dich, los!“ – „Linda, das ist kein Kunde von dir“, ruft eine aus dem Publikum, „du hast ein Problem mit dem Selbstbewusstsein.“

Ja, warum sollen Huren nicht ein Problem mit dem Selbstbewusstsein haben, stellte schließlich übereinstimmend das Podium in der Berliner Ufa-Fabrik fest, das am Montag über die „berufliche Anerkennung von Prostitution“ debattierte, schließlich sperrt man sie nach wie vor fast überall in Deutschland in ein paar düstere Straßen oder in Sexfabriken namens Eros-Center ein, wo sie von mehr oder weniger ehrenwerten Zuhältern verwaltet bis ausgebeutet werden, verweigert ihnen alle Sozialversicherungen und sogar die Möglichkeit, den Lohn für ihre Dienste einzufordern.

Das alles hatte die rot-grüne Regierung ändern wollen, bis zum Sommer sollte ein Entwurf für ein Prostituiertengesetz vorliegen. Bei der Podiumsdiskussion, dem Abschluss des KultHur-Festivals zum 25. Internationalen Hurentag, wurde bald klar, warum ein erster Entwurf mindestens bis Herbst auf sich warten lassen wird. Hinter einer knallroten Riesenmöse saßen neben Parteienvertreterinnen und Anwältinnen auch VertreterInnen des Frauen- und Justizministeriums, und bei letzterem scheinen sich die Probleme zu stauen.

Denn die Frauenpolitikerinnen der Koalition waren sich schnell einig, dass die „Sittenwidrigkeit“ der Prostitution aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verschwinden muss, damit der Lohn einklagbar wird. Dann könnten Huren sich auch in Bordellen anstellen lassen und die Vorzüge des Arbeitsrechts und der Sozialversicherungen genießen. Ebenso sollten die Sperrgebietsverordnung und der Zwang zu Gesundheitsuntersuchungen fallen. Auch der Strafrechtsparagraph 180a, der die „Förderung der Prostitution“ verbietet, soll gestrichen werden. Denn der verhindert das Betreiben von Bordellen mit akzeptablen Arbeitsbedingungen.

Nun aber kommen die Rechtspolitiker ins Spiel: Jürgen Schmidt-Rensch vom Justizministerium listet Bedenken auf, die auch die SPD-Rechtspolitiker, die den Entwurf ausarbeiten sollen, plagen: Wenn Huren Verträge abschließen, sei es über eine Dienstleistung mit einem Freier, sei es ein Arbeitsvertrag mit einem Zuhälter, dann gehen sie Verpflichtungen ein. Entscheidet die Hure erst im Zimmer, dass sie den Kunden lieber doch nicht bedient, würde sie den Vertrag brechen, argumentiert Schmidt-Rensch, dann könnte der Kunde Schadenersatz verlangen. Ein Arbeitsvertrag mit einem Zuhälter würde beinhalten, dass der der Hure Weisungen erteilen kann, auch keine schöne Vorstellung für den Justizbeamten.

Aber Dr. Schmidt-Rensch war ziemlich allein mit seinen Befürchtungen. Ein Freier, der per Gericht Hurendienste einklagt, ist nicht nur für Renate Augstein, Referatsleiterin im Frauenministerium, schwer vorstellbar: „Das wäre zwar einklagbar, aber vollstrecken kann man ein solches Urteil nicht.“

Arbeitsverträge mit Zuhältern und Bordellbesitzern, so erklärt die Juristin Margarethe von Galen, die an einem früheren Gesetzentwurf der Bündnisgrünen zur Legalisierung der Prostitution mitgearbeitet hat, könnten durchaus so gestaltet werden, dass Huren nicht zu Diensten gezwungen werden, die sie nicht leisten wollen. So etwas ließe sich mit Vertrag allemal besser regeln als in der Illegalität. Von Galen vermutet, dass das Justizministerium ebenso wie die SPD-Rechtspolitiker grundsätzlich Angst vor der Legalisierung haben.

So ist es vielleicht doch wieder die Opposition, die eine Legalisierung vorantreibt. Die PDS-Bundestagsabgeordnete Christina Schenk jedenfalls kündigte einen eigenen Antrag oder Gesetzentwurf zum Thema an.