Nach Judith

Offensiv in der Ecke kuscheln: Fünf Schriftstellerinnen diskutierten die Situation von Frauen im Literaturbetrieb

Etwas läuft falsch: Bei Literaturwettbewerben schicken wesentlich mehr Frauen als Männer ihre Texte ein, aber unter den PreisträgerInnen ist das Verhältnis ausgeglichen. Auch die ganz großen Preise (Büchner, Böll, Schiller etc.) gehen überwiegend an Männer. Warum das so ist und was dagegen getan werden könnte, darüber diskutierten fünf Schriftstellerinnen am Dienstag in der Literaturwerkstatt: „Trotz Fleiß kein Preis? – Autorinnen im Literaturbetrieb“. Die fünf haben das Thema so gründlich verfehlt, dass es schon wieder erhellend war. Unfreiwillig demonstrierten sie ihren eigenen Anteil an der relativ schlechten Situation schreibender Frauen.

Es war zuallererst die Moderatorin Brigitte Struzyk, die den Abend völlig auf die schiefe Bahn leitete: Schon den Titel ihrer Veranstaltung konnte sie selbst nach drei Anläufen nicht richtig aussprechen – er interessierte sie offenbar eh nicht. Viel wichtiger war ihr das 3. Autorinnenforum Rheinsberg. Daran hatten nämlich alle Frauen auf dem Podium teilgenommen; die Organisatorin Ines Geipel war auch da. Und so wurde es dann ein öffentliches Nachtreffen: Die Autorinnen lasen aus ihren beim Forum preisgekrönten Texten, die Moderatorin fragte nach der Entwicklung des Forums, und immer wieder wurden die Workshops des Forums gelobt.

Nur selten kamen die Autorinnen mal weg aus Rheinsberg. Dann deutete etwa Corinna Waffender an, dass „etwas zwischen uns schreibenden Frauen und den Leserinnen steht“. Nämlich Verlage und Machtverhältnisse. Welche Probleme sie und ihre Kolleginnen mit diesen Verhältnissen haben, war nicht zu erfahren. Keine Einzige ließ sich zu einer Klage oder auch nur einer persönlichen Einschätzung hinreißen. Vielleicht um die eventuell im Publikum sitzenden LektorInnen nicht zu ärgern? Stattdessen schimpfte Cornelia Saxe lieber auf die blöde Presse, die nicht zu dem tollen Autorinnenforum ins brandenburgische Rheinsberg gekommen war. Die Feuilletons hätten sich nur für die Schriftstellertagung in Tutzing interessiert, zu der Maxim Biller eingeladen hatte. „Dort waren nur zwei Autorinnen anwesend. Aber das galt in den Zeitungen nicht als Skandal“, sagte Saxe. Dort diskutierte man lieber über „Schlappschwanzliteratur“.

Ja, auf so was springen die oberflächlichen Medien an. Warum also nicht selber mal ein bisschen herumpoltern? Auf diese Idee kamen die Frauen auf dem Podium in Pankow nicht, obwohl Ines Geipel immer wieder betonte, wie wichtig es sei, Öffentlichkeit herzustellen: „Wir kuscheln uns als Frauen immer so in die Ecke. Ich würde mir wünschen, dass wir offensiver rausgehen“, sagte sie. Der Abend in der Literaturwerkstatt wäre eine Chance dafür gewesen. Die Frauen verspielten sie, weil sie sich nicht trauten, laut und deutlich zu werden. Sylvia Kabus und Kristin Schulz (die einen beeindruckenden Dialog vorgelesen hatte) schafften es sogar, kein einziges Mal das Wort zu ergreifen. Das war Null-PR.

Kleiner Tipp: Beim nächsten Autorinnenforum in Rheinsberg den Workshop „Die Autorin als Unternehmerin“ besuchen.

NADINE LANGE