Stell die Verbindung her

Corporate Identity aus Lilien, Weißwein und Jungschriftstellern: Seit fünf Jahren lädt Britta Gansebohm in ihren Literarischen Salon im Podewil. Das Ritual ist streng: Fünfzehn Minuten Lesung, fünfzehn Minuten Pause, dann wird diskutiert. Im Idealfall

von RALF HANSELLE

Das Prinzip two-in-one hat uns voll im Griff. Bei Tchibo gibt’s die Dessous zum Kaffee, Gauloises verkauft nicht nur Tabak, sondern koppelt daran zugleich die entsprechenden Emotionen von Freiheit und französischer Leichtigkeit.

Auch aus dem Kulturbetrieb ist der Doppelpack nicht mehr wegzudenken, und bei Britta Gansebohm gibt es seit nun fünf Jahren das Happening zur Literatur. Mit Weißwein, Lilien und Diskussionen bietet ihr Literarischer Salon eine wohl komponierte Corporate Identity für die neue deutsche Literatur an. Leselust toujours!

Seitdem nicht nur in Berlin die romantische Salonkultur wieder entdeckt wurde, scheint die konventionelle Lesung von gestern zu sein. Ob „Juliettes Literatursalon“ oder der „Berliner Salon“ in der Volksbühne – die „Ereignisliteratur“ boomt, und mit dem „Berliner Zimmer“ wird sogar noch im Internet so genannte Salonkultur versprochen.

Britta Gansebohm, die im Podewil bis heute einen der erfolgreichsten Salons betreibt, distanziert sich jedoch von vielen dieser Projekte: „Oft heften sich Veranstalter dieses Label doch nur an, weil sie damit neugierig machen wollen“, sagt sie. „Letztlich aber bieten sie dann ganz normale Lesungen. Da gibt es keine Salondame, keine Gespräche und auch keine Atmosphäre.“ Für Britta Gansebohm aber ist es gerade das, was aus einem literaturinteressierten Menschenauflauf einen Salon machen kann.

Bei einem Treffen im Literaturhaus – hier gibt es zur gehobenen Literatur seit Jahren ein gediegenes Tanztee-Ambiente – gesteht sie, dass das Event zur literarischen Lesung nie ihr Anliegen gewesen sei: „Mich hat es einfach gestört, dass es in der Stadt kaum Möglichkeiten gab, um mit jungen Schriftstellern ins Gespräch zu kommen.“

Also hat Britta Gansebohm selbst die Initiative ergriffen. Da sie schon immer gerne Gäste empfangen hat, hat sie ihren breit gefächerten Freundeskreis einfach an den literarischen Betrieb angedockt. 1995 organisierte sie mit dem Kreuzberger Maler Manfred Niepel den ersten Salon in dessem Atelier. „Das war anfangs noch sehr chaotisch“, erinnert sie sich. „Jeder sollte eigentlich ein eigenes Manuskript mitbringen, aus dem er dann gelesen hätte. Getraut hat sich aber letztlich nur einer, und so waren wir mit dem literarischem Program schnell am Ende.“

Doch Britta Gansebohm blieb hartnäckig. Zu den folgenden Lesungen wurden schon bald professionellere Autoren eingeladen, die sie durch eine begonnene Schauspielausbildung vom Theater her kannte. Aus der spontanen Idee wurde so recht schnell eine stadtbekannte Institution: ein literarisches Ereignis.

Dass dabei die Kreativität und das Chaos der Anfangszeit konkreten Vorstellungen und Zielsetzungen wichen, blieb vermutlich nicht aus. „Ich will mit meinem Salon besonders junge Schriftsteller ein Stück weit begleiten, und es macht Spaß, wenn man so die Entwicklungen der Autoren verfolgen kann“, sagt Britta Gansebohm. Für diese Begleitung aber hat man mittlerweile zu einer sehr starren Form gefunden: Fünfzig Minuten Lesung folgen fünfzehn Minuten Pause, danach gibt’s noch mal einen kleinen Lesungsblock, abschließend eine Diskussion.

Bei der Jubiläumsfeier des Salons aber konnte man noch einmal den Eindruck gewinnen, dass das kreative Durcheinander zurückgekehrt sei. Spätestens nach der Pause erhob sich ein Murmeln und Rauschen, unter dem die Lesung von David Wagner, Rainer Merkel und Jörg Paulus fast nicht mehr wahrzunehmen war. Für viele schien die literarische Sättigungsgrenze erreicht. Während sie sich auf den hintersten Sitzplätzen mit Freibier locker getrunken hatten, gaben sie dem Event gegenüber der Lesung den Vorzug.

Busserl rechts, Busserl links, nutzte man den Salon aber auch noch für ganz andere Dinge. Kulturyuppies und Journalisten freuten sich über das ach so unerwartete Wiedersehen, diktierten vereinzelt Notizzettel voll und prosteten jedem zu, der nicht frühzeitig wieder verschwand. Und während man so auf Literaturbetrieb machte, vergaß man schon mal, dass vorn am Mikro die talentierte Nachwuchsschriftstellerin Ulrike Draesner zu den eigentlichen literarischen Ausdrucksformen fand.

In einem aber scheint sich bis heute nichts verändert zu haben. „Ein Salon“, sagt Britta Gansebohm, „hat auch viel mit Erotik zu tun. Über die Jahre entstanden hier nicht nur Arbeits-, sondern auch Liebesbeziehungen.“ Und wenn dann die gediegene Musik von „Element of Crime“ als ideales Warm-up erklingt, kann es schon mal sein, dass man der Nebenfrau tief in die Augen schaut und die Literatur vollends vergisst. Dann wird der Salon zur Singleparty.

Der nächste literarische Salon findet am 13. Juni um 20 Uhr im Podewil, Klosterstraße 68 statt. Es lesen Jan-Peter Bremer und Katharina Hacker.