Microsoft zweigeteilt

Der Konzern wurde wegen Missbrauchs seiner Monopolstellung verurteilt – historische Wegmarke für eine Industrie. Die Softwarebranche ist allerdings längst mit neuen Entwicklungen beschäftigt

von PETER TAUTFEST

Das Unvorstellbare ist wahr geworden: Microsoft, eine der erfolgreichsten Firmen der neueren Zeit, wird geteilt, so am Mittwoch Ortszeit das Urteil von US-Bundesrichter Penfield Jackson. Aus Microsoft werden zwei Firmen, von denen sich die eine um Weiterentwicklung und Vertrieb des Betriebssystems kümmert und die andere Anwendungen dazu schreibt. Auf beiden Gebieten hat Microsoft derzeit mit Windows auf der einen und dem Office-Paket auf der anderen Seite eine marktbeherrschende Stellung.

Schon im November vergangenen Jahres hatte Jackson in einem Voraburteil der Klage der Bundesregierung und 19 Einzelstaaten in der Sache Recht gegeben. Microsoft habe seine Monopolstellung missbraucht, um andere Firmen sowie die weitere Entwicklung der Softwareindustrie zu unterdrücken. Microsoft will in die Berufung gehen.

Das Urteil ergeht zu einem Zeitpunkt, da die Ergebnisse der großen Kartellverfahren des vergangenen Jahrhunderts von der Entwicklung überholt werden. Standard Oil, das 1911 in 34 Firmen aufgespalten wurde, kommt durch das Zusammengehen von Exxon und Mobil weitgehend wieder zusammen, und der Telefonriese AT&T, dessen Zerschlagung 1982 die so genannten Baby Bells schuf, rekonstituiert sich durch den Kauf von MediaOne als Amerikas größte Kabelgesellschaft. Das Microsoft-Urteil beweist, dass die Dynamik der industriellen Entwicklung sich auf ein anderes Gebiet verlagert hat, und legt dafür die Rahmenrichtlinien fest.

Ursprünglich ging es in dem Prozess um die Benachteiligung des Konkurrenten Netscape durch Microsoft. Netscape hatte mit dem „Navigator“ den ersten so genannten Browser popularisiert, jene Software, mit der man sich im Internet zurechtfindet. Microsoft hatte mit dem „Explorer“ dazu ein Konkurrenzprodukt entwickelt und seinen Browser in das Windows-Betriebssystem integriert. Das lief darauf hinaus, Benutzern von Windows den „Explorer“ aufzuzwingen, so die Argumentation der Wettbewerbshüter. Microsoft selbst arbeitet zur Zeit auf seine Weise an der Verschmelzung von Betriebssystem und Anwendung durch die Entwicklung der „Next Generation Windows Service“, einer Supersoftware, die vom Internet bis zur Programmierung des Videorecorders alle Bereiche des elektronisch gesteuerten Alltags verbinden und vernetzen soll. Wie das Urteil diese Entwicklung berührt, ist zur Zeit nicht abzusehen.

Das Urteil stieß, wie nicht anders zu erwarten, auf Zustimmung und Widerspruch. „Ich hätte die Aufteilung von Windows in drei Firmen für die bessere Lösung gehalten“, sagte Tom Leonhard von der Progress and Freedom Foundation. „Auf diese Weise hätten sich drei Betriebssysteme Konkurrenz gemacht, und wir hätten mehr Auswahl gehabt.“

„Die Zweiteilung ist, was wir immer vorgeschlagen haben“, sagt Audrie Krause von NetAction, einer Gruppe, die das Potenzial des Internet für die weitere Demokratisierung der Gesellschaft mobilisieren will. „Jetzt erhalten all jene Softwarefirmen, die nicht Microsoft gehören, eine Chance, Software zu schreiben, die mit der von Microsoft in Konkurrenz treten kann.“ Auf die Frage, wie diese Industrie in fünf Jahren aussehen werde, wollte sich Krause nicht einlassen: „Die Industrie unterliegt rapiden Veränderungen, deren Motor technische Entwicklung ist.“

„Das Urteil setzt einen Schlusspunkt in einer Auseinandersetzung von gestern“, sagt ein Ingenieur eines Think Tanks, der Software für Regierungsprogramme entwickelt und nicht genannt sein wollte. „Das Urteil beendet den Browserrieg zu einem Zeitpunkt, da die Umstellung von HTML auf XML – der neuen Sprache des Internet – rapide voranschreitet. Wer den ersten XML-tauglichen Browser vorlegt, hat gewonnen – das könnte auch Microsoft sein.“

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