piwik no script img

Hallo, hier bin ich

Maximum HipHop: die bekanntesten Graffiti-Künstler der Welt kommen nach Hamburg  ■ Von Anna von Villiez

Am Anfang war das Wort. Dann die Mauer, dann das Wort auf der Mauer. Schließlich dann wieder die Mauern, in denen sich derjenige wiederfindet, der die Buchstaben auf die Mauer sprühte. Für linke Theoretiker und Sympathisanten begeht er die schönsten Verbrechen der Welt, die meisten finden Graffiti weniger dekorativ und sehen darin eine Sachbeschädigung. Der Zeichensetzer selber empfindet womöglich gar nicht viel, sondern will nur wieder nach Hause.

„Die bunten Bilder sind ja ganz schön, aber dieses hässliche Gekritzel überall, das ist wirklich eine Schmiererei“, so das landläufige Kommentar zu dem, was sich seit inzwischen eineinhalb Jahrzehnten metastasenartig auf Hamburgs öffentlichen Flächen ausbreitet. Ästhetische Korrektheit ist aber nicht unbedingt Sinn der Disziplin, sondern Schnelligkeit, mutige Platzierung und offensiver Stil. Die Bombe muss explodieren, die die vorgegebenen Designs in tausend Stücke zerreißt. Graffiti zu malen ist eher Kampfkunst denn ästhetisches Handwerk, mit nächtlicher Guerilla-Taktik ausgefochten, ein Krieg der Zeichen, in dem Meter für Meter um die Herrschaft des Zeichens in der Stadt gerungen wird. Der französische Denker Jean Baudrillard hält Graffiti für das einzig wirksame Gegengift gegen das „Monopol dieses überall im urbanen Gewebe zerstreuten Codes“ wie Werbung. So galt für Graffiti eigentlich: Ohne SoKo und Prozesse wegen Sachbeschädigung auch keine Writer.

Mirko Reisser a.k.a. DAIM, Hamburger Sprüher, dessen Ruhm dem 28-Jährigen in ganz Europa voraneilt, sieht das anders: „Graffiti muss weder heimlich noch ins Stadtbild eingebunden sein. Graffiti muss nicht illegal sein. Graffiti ist ein Zeichen: ,Hallo, hier bin ich, mich gibt es.' In New York haben sie angefangen zu sprühen, nicht um Staat oder öffentlichem Verkehrsnetz eins auszuwischen. Sondern es war die einzige Möglichkeit für die Kids, Individualität auszudrücken.“ In dem urbanen Vieleck, in der der einzelne nichts zählt, sind Graffiti zum Weg geworden, seinen Namen zu schreiben, eine Kurzgeschichte aus nur einem Wort zu erzählen, um Fame zu bekommen, Territorien abzustecken. Um Spuren im Niemandsland zu hinterlassen, die die anderen lesen.

Zu Urban Discipline Graffiti-Art 2000 Ausstellung finden sich nun Männer der ersten Stunde wie die Altmeister SEEN und CES aus dem Epizentrum New York oder TOAST, der Züricher Pionier auf Europas Schienennetz, in Hamburg ein, um die vagabundierenden Bilder auf Leinwand zu bannen. „Die Galerie ist ein zu eroberndes Neuland. Andere haben Neuland wie zum Beispiel Polen erorbert, sich ein Zimmer in Warschau gemietet und systematisch alles vollgebombt. Wieder andere werden das Internet erorbern“, sagt Reisser. Im Rahmen der Maximum HipHop Tage Hamburg präsentiert Getting Up, die Agentur des Berufssprühers und seiner Partner, parallel zu dem Stelldichein der Wortführer deutscher Reimkunst, ein mehr als beachtenswertes Line-Up internationaler Writer.

„Graffiti ist immer noch eine tragende Säule des HipHop, obwohl es legitim ist, als Sprüher, Metal zu hören und nichts mit Hip Hop zu tun zu haben. Das gibt neue Impulse. Wichtig ist allein der Respekt und das Bewusstsein für die Arbeit der anderen“, so DAIM zur Credibility seiner Zunft. Die Frage, wo die Grenzen des HipHop-Univer-sums liegen und wie elastisch sie sind, liegt nahe, wenn neue Bereiche betreten werden. „Für mich gehören Graffiti und HipHop untrennbar zusammen“, so zum Beispiel Sozius Heiko Zahlmann alias DADDY COOL, „das ist die einzige Musik, die dazu passt.“

Mirko Reisser, einer der wenigen, der sich neben der Schule der Straße auch auf ein klassisches Kunststudium einließ, ist dagegen für ein forsches Übertreten gesteckter formaler Grenzen. Es gilt den Beweis zu führen, dass Graffiti neben einer wirksame Maltherapie gegen Langweile und Konsum auch Kunstwerke sind, die ihre Magie und Schönheit auch auf Galeriewänden nicht verlieren.

Do, 15. Juni bis So, 18. Juni, 12 - 21 Uhr, Mo, 19. Juni bis Do, 22. Juni, 15 - 21 Uhr, Fr, 23. Juni, 15 - 19 Uhr. Abschlussparty: Fr, 23. Juni, ab 21 Uhr, Thomas-I-Punkt Skateland, Amsinckstr. 70

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen