Junkies müssen warten

Modellversuch verzögert sich: Frühestens im nächsten Jahr bekommen in Hamburg Drogenabhängige Heroin auf Rezept  ■ Von Elke Spanner

Frühestens Anfang des kommenden Jahres wird das Modellprojekt zur kontrollierten Heroin-Abgabe in Hamburg starten. Das prognostizierte gestern der Direktor des Zentrums für interdisziplinäre Suchtforschung der Uni, Professor Michael Krausz, bei der Eröffnung der „Suchttherapietage“. Erst Anfang September entscheidet ein internationales Gutachtergremium, wer die ärz tliche Stoffvergabe anleiten und wissenschaftlich begleiten wird. Anschließend „müssen noch formale Hürden genommen werden“, so Krausz. Der Senat hatte den Start bereits für das Jahr 2000 avisiert.

Zwei Institute haben sich um die Durchführung des Modellprojektes beworben. Eine Forschergruppe aus Essen will bundesweit zunächst 150 Junkies mit Heroin behandeln, das Hamburger Suchtforschungszentrum hat ein Konzept für 700 Süchtige bundesweit vorgelegt – wie es auch in der öffentlichen Ausschreibung vorgesehen war. Bekommt das von Krausz geleitete Institut den Zuschlag, werden in der Hansestadt 300 KlientInnen in einem Probezeitraum von zunächst drei Jahren Heroin vom Arzt bekommen. Der Stoff, so die Empfehlung des Psy-chiaters der Suchtkrankenstation im AK Ochsenzoll (AKO), Klaus Behrendt, sollte in eigens eingerichteten Ambulanzen „mit klinischer Anbindung“ ausgegeben werden.

Die medizinisch kontrollierte Abgabe des Suchtmittels ist ein wichtiger, jedoch nicht der einzige Forschungsansatz, den Wissenschaftler zurzeit verfolgen. Bei den Suchttherapietagen, zu denen sich 600 TeilnehmerInnen angekündigt haben, soll schwerpunktmäßig darüber beraten werden, inwieweit Sucht mit Medikamenten behandelt werden kann. Der Arzt Rainer Ullmann forderte, die bürokratischen Hürden für die Substitution von Junkies abzusenken. In Frankreich könnten alle ÄrztInnen den Ersatzstoff Buprenorphin auf Rezept verschreiben – wodurch mehr als 60.000 Heroinabhängige in ärztliche Behandlung gekommen seien. „In Deutschland“, spottete Ullmann, „ist die Substitution von in Tabak enthaltenem Nikotin durch Nikotin-Pflaster nicht so heftig diskutiert worden wie Ersatzstoffe für Heroin.“

Ein wichtiger Fortschritt sei, dass inzwischen auch über „Schadensminimierung“ geforscht werde und der Erfolg einer Drogentherapie nicht mehr allein danach beurteilt würde, ob ein Klient gänzlich abstinent leben kann oder Rückfälle erleidet. So soll auch die Linderung des „Suchthungers“ durch Medikamente auf der Fachtagung zur Sprache kommen. Laut Behrendt habe die Beobachtung von AlkoholikerInnen, die zur Unterstützung Medikamente bekommen, ergeben, dass sie bei einem Rückfall zumindest weniger trinken würden als zuvor. Krausz: „Auch das ist schon ein Erfolg.“