Jugendliche sprengten Jugendhilfe-Ausschuss

■ Fachgremium wollte „Anpassungskonzept“ für 25-prozentige Kürzung beraten / Jugendliche verlasen lautstark 5.000 Protest-Unterschriften

„Könnt ihr mal eben zuhören, es geht um die Tagesordnung“, versuchte Frank Pietzrok als Leiter des Jugendhilfe-Ausschusses der Bremer Bürgerschaft, sich gegenüber 30 Jugendlichen Gehör zu verschaffen. Aber für Tagesordnungsfragen interessierten sich die Jugendlichen weniger, sie wollten die geplante Kürzung der Jugendhilfe-Mittel um 25 Prozent verhindern. Beim Jugendhilfe-Ausschuss stand das „Anpassungskonzept“ für diese Kürzung auf der Tagesordnung.

Als Pietzrok schließlich den „Tagesordnungspunkt vier“ aufrief, ging die Sitzung in einem allgemeinen Stimmengewirr unter: Die Jugendlichen, die auf den Aufruf der Initiative „Nix da“ und des Jugendringes gekommen waren, lasen jeder für sich und lautstark die 5.000 Namen und Adressen derer vor, die den Aufruf gegen die Kürzungen unterschrieben hatten. Nicht 25 Prozent Kürzung, sondern zwei Millionen mehr – das wären zehn Prozent – forderten die Jugendlichen.

Vor dem chaotischen Ende der Sitzung hatte es doch eine Debatte zur Sache gegeben: Unter dem Tagesordnungspunkt „Anregungen und Wünsche junger Menschen“ hatte es einige Dutzend Wortmeldungen gegeben, die Ausschuss-Leiter Pietzrok, bis vor drei Jahren noch selbst Vertreter der Sozialistischen Jugend „Die Falken“ im Bremer Jugendring, ordnungsgemäß abarbeitete. Nur bei schwierigen Geschäftsordnungsfragen ließ er sich von der erfahrenen CDU-Frau Silke Strietzel per Zuruf ins Bild setzen.

„Der Jugendhilfeausschuss hat gar keine Kompetenz, über den Etat zu beschließen“, versuchte Pietrok die Unschuld seines Gremiums den protestierenden Jugendlichen zu vermitteln. Das Gremim müsse das „Anpassungskonzept“ schnell beschließen, damit die Betroffenen in den Stadtteilen dann in das „Beteiligungverfahren“ gehen könnten.

Solche Sätze brachten die Jugendlichen nur gegen ihren ehemaligen Funktionär auf. Die Beteiligung reduziere sich doch nur auf die Frage, wo gestrichen werden soll, monierte einer. „Warum sollen wir denn Wünsche äußern, wenn dann doch kein Geld da ist, sie zu erfüllen?“ Oder: „Lehnen sie doch die Kürzung von 25 Prozent einfach ab, das ist meine Anregung.“

Der ehemalige Jugenfunktionär Pietzrok versuchte, den Jugendlichen die Sachzwänge seines neuen Amtes nahe zu bringen: Es sei „alles andere als ein leichter Schritt“ gewesen für alle Sozialdemokraten, aber es gebe eben eine „sehr dramatische Haushaltslage“ in Bremen. Dafür hatten die Jugendlichen allerdings kein Verständnis. Sie erinnerten an Ocean Park, Space Park, mal eben acht Millionen für das Musical und die Glasüberdachung für die Sögestraße. „Wenn ich vor meinem Freizi stehe, habe ich auch kein Glasdach.“

Wenn er sparen müsse, erklärte ein anderer, dann überlege er sich: „Was brauche ich und was leiste ich mir?“ Dass in Bremen Ausgaben für Jugendhilfe unter Luxus fallen, das gehe ihm nicht in den Kopf. Was sind denn Zukunftsinvestitionen wenn nicht die in die Jugend, fragte ein anderer: „Wer soll euch denn wählen in ein paar Jahren?“

Auch den Hinweis aus den Reihen des Jugendhilfe-Ausschusses, die Trennung in (zu kürzende) „konsumtive“ Ausgaben und reichlich vorhandene „investive“ Gelder sei eben nicht zu ändern, überzeugte die Jugendlichen nicht: „Wer kann das denn ändern, wenn nicht ihr?“, rief eine junge Frau dazwischen. Und appellierte an den Ausschuss für Jugendhilfe: „Warum sagt dieses fachkundige Gremium nicht, wir können keine Kürzung von 25 Prozent vertreten? Ist das so schwer?“

„Damit ist der Tagesordnungspunkt Anregungen junger Menschen hinter uns“, schloss der Versammlungsleiter Pietzrok erleichtert den TOP 2 ab. Da ahnte er nicht, dass das nur das argumentative Vorspiel für TOP 4 war. K.W.