Strieders Stunde schlägt

Bei der Kreisdelegiertenversammlung Schöneberg/Tempelhof entscheidet sich heute Abend, ob Peter Strieder SPD-Parteichef bleibt. Kandidatur von Borghorst erwartet

Die Entscheidung, ob sich SPD-Parteichef Peter Strieder in seinem Amt halten kann, fällt heute Abend im Rathaus Schöneberg. Dort werden die Delegierten der Kreise Schöneberg und Tempelhof einen Kandidaten für den Parteivorsitz nominieren. Falls Strieder hier zum dritten Mal gegen den Außenseiterkandidaten Stefan Grönebaum verlieren sollte, wäre es klug, auf die Kandidatur zu verzichten. Sonst droht die völlige Demontage. Am 15. Juli wählt ein Landesparteitag die neue Führung.

Doch möglicherweise werden die Delegierten über eine neue Personalkonstellation abstimmen, wenn sich Parteivize Hermann Borghorst für eine Kandidatur gegen Strieder entscheidet. „Ich gehe fest davon aus, dass er noch vor der Kreisdelegiertenversammlung erklärt, ob er kandidiert“, sagte Andreas Geisel, Kreisvorsitzender von Lichtenberg/Hohenschönhausen. Borghorst könne die Entscheidung nicht länger in der Schwebe halten. Auch der Kreischef von Tempelhof/Schöneberg, Michael Müller, sagte, es würde keinen Sinn machen, die Delegierten über Strieder und Grönebaum abstimmen zu lassen, wenn diese Personalkonstellation 24 Stunden später hinfällig sei. Bisher hatte Borghorst eine Kampfkandidatur gegen Strieder aus Loyalität stets abgelehnt. Doch in den letzten Tagen war dem 52-jährigen Gewerkschafter aus der Partei starke Unterstützung für eine Kandidatur signalisiert worden. Denn die Unzufriedenheit mit Strieder ist massiv.

Mit seinem selbstherrlichen Auftreten und Alleingängen hat Strieder es sich mit der Parteibasis verdorben. Dort macht sich das Gefühl breit, zum puren Anhängsel der großen Koalition degradiert zu werden. Borghorst gilt dagegen als Integrationsfigur, die hohes Ansehen beim linken und rechten Flügel genießt und auch von den jungen Genossen akzeptiert wird.

Borghorst würde die Befindlichkeit der Basis besser bedienen und könnte die darnieder liegende Partei neu organisieren. Im Gegensatz zu Modernisierer Strieder repräsentiert Borghorst den traditionellen Sozialdemokraten, der sich der Modernisierung aber auch nicht verschließt. Bei den Debatten um die Privatisierung von Landesbetrieben, die zu innerparteilichen Zerreißproben führten, hatte Borghorst eine vermittelnde Position eingenommen. Nach innen würde sich die Wahl des spröde wirkenden Borghorst stabilisierend auswirken. Nach außen wäre es allerdings kein Zeichen für Aufbruch und Erneuerung.

DOROTHEE WINDEN