piwik no script img

NiedertrachtZur Befreiung der Begriffe von ihrem Symbol. Die erste Aktion

Schlingensief redet wie Haider

Dem Obmann der FPÖ Niederösterreich ist es jetzt gelungen, im Enthusiasmus seiner Rede vor dem Landesparteitag „Unsere Ehre ist die Treue“ auszurufen. In der Kronen Zeitung kann man dann in Leserbriefen lesen, dass das SS-Motto auf dem SS-Koppel „Meine Ehre ist die Treue“ gelautet habe. Dass der Leserbriefschreiber ein solches Koppel getragen hatte. Also bei der SS gewesen war. Aber dass er kein Nazi gewesen sein möchte. „Nicht alle, die bei der SS waren, sind Nazis gewesen.“ Steht da zu lesen.

Schlingensief redet wie Haider. Das löst aber die Figur nicht wie gedacht auf. Das festigt die Lager ein bisschen mehr. Die Leute sind markenbewusst. Sie können mittlerweile zwischen einer Gucci-Uhr und einer Gucki-Uhr unterscheiden. Es wissen auch alle, was Fernsehen ist und was Wirklichkeit. Und während im Container bei der Oper Wirklichkeit nachgestellt wird, passiert sie am Flughafen. Unerbittlich so. Zynisch didaktische Unterschätzung bringt die Sache nur weiter nach rechts. Und das Motto „Wer nicht für mich ist, ist für Haider“ steht von Peymann noch aus den 80ern zur Benutzung frei. Und irgendein Bursche findet sich dafür schon.

In der Widerstandsbewegung steigt Ratlosigkeit auf. Die Luc Bondys räkeln sich vor den Kameras. Die, die jeden Donnerstag Wandertag gehen. Zu tausenden. Die kommen nicht vor. Die vor den Kameras sind dort noch nie zu sehen gewesen. Und. Im Juni haben die Entlassungen bei all den Kultur- und Sozialinitiativen begonnen, denen die Regierung das Geld entzieht. Das interessiert weder die Medien noch die sich Räkelnden. Es geht nämlich um Frauen, Armut, um Migranten und Migrantinnen, Obdachlose, Drogenkranke, psychisch Gefährdete. Die Auszugrenzenden. Die interessieren da wie dort nicht. Ausgrenzung funktioniert in aller Öffentlichkeit. Und weiterhin. Da sind sich dann alle sehr ähnlich. Da sprechen alle Seiten eine ähnliche Sprache.

Diese Sprache, ihre Vokabeln und ihre Grammatik. Das ist der Gegenstand der Aktion „Niedertracht“. Am Beispiel des Dirndlkleids soll diese Sprache untersucht werden. Das Dirndl geriet vom unbedarften Gegenstand zum völkisch aufgeladenen Symbol. Wie war das. Wie ging das. Und vor allem. Was ist davon geblieben. Und was bedeutet es, den Rechten solche Symbole zu überlassen. Wie kann eine Befreiung von solchen Sprachlasten aussehen.

Zu untersuchen ist doch, wie es sein kann, dass ein 50-jähriger Landesparteiobmann der FPÖ ein SS-Motto bei einer Rede – angeblich – neu erfinden kann. Dass ein österreichischer Bundeskanzler glauben kann, dieser Mann wäre zu jung, ein SS-Motto zu kennen. Dass also Unkenntnis der Geschichte ohne Probleme zur Kenntnis genommen wird. Das alles ist so ungeheuerlich, dass einem vor Schreck stumm werden könnte. Ich möchte mir aber den Luxus der Empörung nicht nehmen lassen. Deshalb „Niedertracht.“ Zuerst einmal.

MARLENE STREERUWITZ

Am Samstag, den 17. Juni um 18 Uhr wird Marlene Streeruwitz im Haus des Lehrers, Berlin, ihre vom Realismusstudio der NGBK organisierte Performance und Aktion „Niedertracht. Die politische Rettung des Dirndl“ durchführen. Um 20 Uhr schließt die Podiumsdiskussion an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen