Schwule Landratten am Ostseestrand

Wer bei der mecklenburgischen Hafenstadt Rostock an tätowierte, muskelbepackte Matrosen aus aller Welt denkt, wird vor Ort leider enttäuscht werden. Szenekenner wissen von Begegnungen mit dem seefahrenden Volk nichts zu berichten. Dafür gibt es gleich zwei Cruisingstrände mit willigen Landratten: Markgrafenheide und Wilhelmshöhe sind in unmittelbarer Nähe der Hansestadt und am besten mit dem Auto erreichbar. Schön, dass Nacktbaden an dieser Ostseeküste als tugendhaft gilt.

Als Ausgleich für die das Jahr über herrschende tote Hose ließen es die Rostocker zum diesjährigen CSD richtig krachen: Vom 12. Mai bis Mitte Juni tobten die schwul-lesbischen Kulturtage Hanse Gay 2000. Beim Straßenfest in der Kröpeliner Vorstadt gab es Lesbenrock und Menstrip, dazu Leckereien aus Andreas’, Rias und Renates Waffelbar. Getanzt wurde getrennt nach Männlein und Weiblein: Während die Jungs sich in den Räumen der Petrikirche vergnügten, verfolgten die Damen mit ihrer Sex-Toy-Party im „Pablo Neruda“ anscheinend weniger fromme Ziele.

Heute Abend feiern die Homos in Rostock dann doch noch ihren gemeinsamen Höhepunkt, die Lilo-Wanders-Gala beginnt um 19.30 Uhr im Volkstheater Rostock. Außer Wa(h)re-Liebe-Lilo haben die „Rosa Cavaliere“, „Babes on orgel“ und Irmgard Knef zugesagt.

Eine wichtige Adresse für Rostocker Schwule und Lesben ist die Leonhardstraße 20. Hier sitzt der Verein „Rat und Tat“, der sich als Sprachrohr der lokalen Szene versteht. Neben Infos und Beratung, dazu gehört auch eine kostenlos nutzbare Bibliothek, betreut der Verein Aidskranke in dieser Region. Der Verein organisiert aber auch Discos, Lesungen, Seminare und Kulturveranstaltungen. Kontakt: ratundtat@rostock.aidshilfe.de oder Fon (03 81) 45 31 56.

Rostock war schon zu DDR-Zeiten eine schwule Metropole. In der Unistadt sind auch heute noch Kneipen mit Regenbogenflagge zu finden: Die kleine, gemütliche „Klönstuv“ am Leuchtturm, das „Windspiel“ in der Schnickmannstraße, die Bierbar und Pension „Harlekin“ in der Lohbergstraße, das „Aalglatt“ in der Kistenmacherstraße und das lesbische Frauencafé „Wespennest“ in der Karlstraße.

Sogar ein Sexshop namens „Arrabells“ (Waldemarstraße) fehlt nicht, einen weniger direkten Zugang zu schwul-lesbischen Themen bietet „Die andere Buchhandlung“ am Ulmenmarkt. MARTIN REICHERT