: Strom und Wärme aus der Erde
Neben Windkraft, Solarenergie und Biomasse ist Erdwärme die Vierte im Bunde der förderungswürdigen erneuerbaren Energien. Eine Gesetzesnovelle soll nun auch der Geothermie zu ihrem Durchbruch verhelfen
von KIRSA GEISER
Strom kommt aus der Steckdose, das ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist hingegen, dass er auch direkt aus der Erde dahinein kommen kann. Dafür, dass der Strom das künftig auch tut, hat der Bundestag vor wenigen Wochen den Weg bereitet: Das „Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien“ wurde am 1. April mit einer Novelle verabschiedet. Darin verankert ist nun auch die Abnahme- und Vergütungspflicht für Stromgewinnung aus geothermischer Produktion mit 17 Pfennig pro Kilowattstunde. Das bedeutet schlicht: Wo vorher keine Regelung existierte, hat sich kein Stromversorger um die umweltgerechte Elektrizität kümmern müssen.
Erst durch das Gesetz mit dem Ziel, den Anteil von klima- und umweltfreundlichen Energien an der Stromversorgung zu erhöhen, wird es künftig nicht nur einen potenziellen Markt, sondern auch Erzeuger geben, erläutert Werner Bußmann von der Geothermischen Vereinigung e. V. die schleppende Entwicklung auf dem hoffnungsvollen Energiesektor.
Allein zu Heizzwecken wird die Hitze der Erde bisher in der BRD genutzt. Strom gibt es nicht. Geothermie, ein Zauberwort innerhalb der erneuerbaren Energien, bedeutet schlicht Erdwärme. Diese entsteht durch den natürlichen Zerfall von radioaktivem Material.
In Mitteleuropa steigt die Erdtemperatur pro 100 Meter um 3 Grad Celsius. Die Nutzung dieses Reservoirs mit Hilfe neuer Energietechnologien kann langfristig eine Entlastung von der CO2-Emission anderer Energieträger bedeuten. Neben Windkraft, Solarenergie und Biomasse ist Erdwärme somit die Vierte im Bunde der förderungswürdigen erneuerbaren Energien.
Nach einem Kreislaufprinzip wird Wasser an die Erdoberfläche transportiert, die Wärme abgezapft und dann wieder kalt in den Untergrund gepresst. Als Faustregel kann gelten: Je tiefer die Wärme im Inneren angezapft wird, desto höher ist der Energieertrag für die Wärmeerzeugung. Prinzipiell können, so Manfred Kasper von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Referat für Klimaschutz, drei verschiedenen Vorgehensweisen bei der Wärmeanzapfung unterschieden werden: die Oberflächennahe Geothermie bis 400 Meter, die Anzapfung von Aquiferen (Grundwasserleitungen) bis 600 Meter und die Tiefenbohrungen. Die oberflächennahe Geothermie ist im strengen Sinne gar keine Erdwärme, weil hier nicht die erdeigene Wärme, sondern die durch die Sonne erhitzte Erdkruste zur Energiegewinnung bereitsteht.
Senkrechte Bohrungen von etwa 60 Metern führen dabei Rohre mit einer Wärmeträgerflüssigkeit, die die Wärme des Erdreichs aufnimmt und an Wärmepumpen weiterleitet. Diese Anlagen finden bei Privathaushalten in Ländern mit hohen Brennstoffpreisen wie zum Beispiel in der Schweiz reißenden Absatz.
In Berlin existiert bisher nur eine größere geothermische Anlage als Ergänzung zu einem Blockheizkraftwerk: Unterhalb des Reichstags und der Parlamentsgebäude werden Aquiferen für die Speicherung von Wärme und Kälte nutzbar gemacht. Nach oben befördert, dient das Grundwasser hier als Wärmeleiter. Überschüssige Wärme wird im Sommer 600 Meter tief in die Erde gepumpt, um im Winter wieder hochgeholt zu werden.
In einem zweiten Speicher wird in umgekehrtem Verfahren Kälte gelagert. „Diese Art der Kältegewinnung“, so Frank Kabus von der am Reichstag federführenden Geothermie Neubrandenburg GmbH, „ist bisher einzigartig und eine echte Alternative zu der herkömmlichen, mit Strom hergestellten Kälteversorgung.“ Anders als bei der Wärmegewinnung liegt der Vorteil der gelagerten Kälte in der Wirtschaftlichkeit gegenüber herkömmlicher Kälteproduktion mittels Strom.
Der Heizbedarf größerer Siedlungen, Krankenhäuser, Schulen sowie Gewerbe- und Industriegebiete kann mit Warmwassergeothermie, der Verwendung von erdinneren Thermalwasservorräten, gedeckt werden. Hier wird das heiße Wasser über eine Förderbohrung an die Oberfläche transportiert. Ein Wärmetauscher leitet die Wärmeenergie direkt zu einem zweiten Heiznetzkreislauf um. Das abgekühlte Wasser wird dann über eine zweite Bohrleitung nach unten gepresst. 24 solcher Heizkraftwerke gibt es hierzulande, 80 in Holland. Die größten Kraftwerke befinden sich seit Anfang der 80er-Jahre im Gebiet der damaligen DDR: Neubrandenburg, Waren/Müritz und Neustadt-Glewe in Mecklenburg-Vorpommern.
Der Zufall wurde hier zum Paten für umweltgerechte Energiegewinnung: Bei Ölbohrungen kam heißes Wasser an die Oberfläche. Die Entwicklung von insgesamt 13 Projekten fand mit der Wende allerdings ihren Abschluss. Erst 1995 konnte das Werk Neustadt-Glewe mit seinen 2.200 Meter tiefen Bohrungen und einem Ertrag von 95 Grad heißem Wasser überholt und anschließend wieder in Betrieb genommen werden. 1.200 Haushalte werden hiermit versorgt.
Die Stromerzeugung gelingt mittels des so genannten Hot-Dry-Rock-Verfahrens: Dabei werden mit zwei extrem tiefen Bohrungen von 3.000 bis 5.000 Metern Risse ins Festgestein gestoßen. Hier entstehen die benötigten Temperaturen von 130 bis 140 Grad in den porösen Speichern. Der durch den Druck entstehende Dampf dient der Stromerzeugung. Die Geothermie Neubrandenburg GmbH testet das Verfahren schon in einer Altbohrung nördlich von Berlin.
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