DEUTSCH-RUSSISCHE BEZIEHUNGEN AUF FELSENFESTER GRUNDLAGE
: Duzfreunde

Als Michail Gorbatschow noch Gorbi hieß, war er in Deutschland sehr beliebt, obwohl er kein Deutsch konnte. Wladimir Putin spricht und liebt die deutsche Sprache. Außerdem gehören der russische Präsident und Gerhard Schröder der gleichen Politikergeneration an. Beide Staatsmänner haben also die besten Voraussetzungen dafür, an die Geschichte der großen deutsch-russischen Freundschaften anzuknüpfen, die mit einer besonderen Beziehung zwischen Helmut Schmidt und Leonid Breschnew begann und sich mit der engen Freundschaft Jelzins und Kohls fortsetzte.

Wladimir Putin und Gerhard Schröder haben bis vor kurzem nur miteinander telefoniert, und auf Distanz hat es zwischen ihnen anscheinend nicht richtig gefunkt. Nun ist der persönliche Kontakt hergestellt, und es hat sich gezeigt, sagt Außenminister Fischer, dass die deutsch-russischen Beziehungen für beiden Seiten „doch sehr wichtig sind“. Aber die wirkliche Nähe zwischen zwei Völkern entsteht erst dann, wenn die Spitzenpolitiker sich mit Vornamen anreden. Zumindest seit Gorbatschow und Kohl war dies ein Zeichen der exklusiven Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion. Wladimir Putin behauptet zwar, die Bundesrepublik sei der wichtigste Wirtschaftspartner Russlands in Europa, doch die zwischenstaatlichen Beziehungen sind alles andere als exklusiv. Mit dem britischen Premier Tony Blair ist der russische Präsident jedenfalls längst per du.

Putins persönliche Beziehung zu Deutschland ist sehr ambivalent. Einerseits führte er Deutsch als Umgangssprache in seiner Familie ein, andererseits endete seine fünfjährige Tätigkeit als Spion – was an sich auch eine durchaus zweideutige Position ist – in diesem Lande mit einem Desaster. Was Putin wohl aber am meisten kränkte, war die Kritik an seinem Tschetschenienfeldzug. Aber da gibt sich Deutschland ja inzwischen so zurückhaltend wie Großbritannien.

Gerhard Schröder zeigte sich von seinem Gast persönlich beeindruckt, er war auch bereit, die Menschenrechtsproblematik weitgehend auszuklammern. Es gibt aber etwas, was eine harmonische Freundschaftsbeziehung nach wie vor belastet: den russischen Schuldenberg. Der von Wladimir Putin angestrebte Schuldenerlass kommt für den Bundeskanzler nicht in Frage, und wo es um Geld geht, endet die Freundschaft. Es entsteht jedoch eine pragmatische Beziehung, die nicht auf einer sentimentalen, sondern einer felsenfesten Grundlage basiert. Ganz nach dem Motto „Nicht der Schuldner braucht den Gläubiger, sondern der Gläubiger den Schuldner“. BORIS SCHUMATSKY