Die Katze im Sack

Das Kölner Museum Ludwig zeigt Videoarbeiten von Bettina Gruber. Es ist ein früher Vorgriff auf eine private Mythenwelt à la Pipilotti Rist erkennbar

von MAGDALENA KRÖNER

Wenn heute über Künstlerinnen nachgedacht wird, die in den Siebzigerjahren in Deutschland den feministischen Aufbruch formulierten und ein bis heute wegweisendes Werk geschaffen haben, dann fallen Namen wie Katharina Sieverding, Ulrike Rosenbach oder Rosemarie Trockel. Die 1947 geborene Kölner Medienkünstlerin Bettina Gruber wird schon seltener genannt. Dass sich das ändern könnte, dafür sorgt eine Schau mit aktuellen Arbeiten Grubers im Kölner Museum Ludwig, wo sie schon mehrmals ausgestellt wurde. Doch neben der Bedeutung, die Gruber zweifellos für die lokale Kunstszene hat, etwa durch Aktionen wie die Gründung eines fiktiven „Klaus Peter Schnüttger-Webs“-Museums zusammen mit Ulrich Tillmann und Maria Vedder, findet sich ihre poetische Videokunst plötzlich auch in einem internationalen Trend wieder – ohne je an diesem Betrieb interessiert gewesen zu sein.

Ein Blick zurück: Mitte der 70er-Jahre diente Video vor allem feministischen Künstlerinnen als Echtzeit-Spiegel, in dem sich das Ich in Großaufnahme zeigte. Bettina Gruber und Maria Vedder widmeten sich dagegen mythologisch angehauchten Erzählungen, in denen häufig Tiere als Handlungsträger fungierten. Es entstanden märchenhafte Traumgeschichten, in denen sich als Höhepunkt weiblicher Aggression höchstens mal eine Frau ein paar Callablüten einverleibte. Diese Geschichten kamen ohne handwerkliche Perfektion oder intellektuell verbrämte Medienkritik aus, die kennzeichnend für die Kunst der Folgedekade werden sollte.

Die scheinbar vordergründige, verwunschene Bildsprache in Arbeiten wie „Mamas little Pleasure“ oder „Der Herzschlag des Anubis“, die Gruber und Vedder 1988 den 3. Marler Videokunstpreis einbrachte, sah sich in den Jahren zuvor einer auffälligen Missachtung von Seiten der Kunstkritik und einem Ausschluss vom theoretischem Diskurs ausgesetzt. In einer Zeit, in der Schlagworte und drastische Bilder vonnöten waren, um weibliche Identität in der Kunst zu reklamieren, galten derartig durchlässige Bildkonzepte wie die Bettina Grubers als wenig brauchbar.

So ist es die schrittweise Rückbesinnung auf die Möglichkeiten traditioneller Bilderzählungen, die Grubers Arbeit heute wieder aktuell macht. Dabei entwickelten jüngere Medienkünstlerinnen den schonungslosen Videonarzissmus der Siebziger, die komplexe Medienanalyse der Achtziger, schließlich den Hang zur Simulation in den Neunzigern im Rückgriff aufs Narrative weiter. In eigenwilligen Erzählungen, fiktiven Plots oder Inszenierungen scheinbar dokumentarischer Ereignisse suchen nun Pipilotti Rist, Sam Taylor-Wood oder Vibeke Tandberg nach eigenen und eben nicht exemplarischen Zugängen. Vor dieser Folie öffnet sich die Semantik der gruberschen Bildsprache für ganz neue Lesarten.

Bis heute erarbeitete Gruber in einer Fülle von Foto- und Videokonzepten, Installationen und Zeichnungen eine doppelte Strategie. Das Tier repräsentiert dabei das Andere des Menschen – ihm verwandt und doch fremd. So manifestiert sich einerseits der Wunsch nach Wiedereinführung des Auratischen ins Bild – auch anhand der noch immer unversehrten Symbolkraft des Tieres als dem Ursprünglichen, das allerdings nicht mit Unschuld zu verwechseln ist.

Immer wieder tauchen dabei neben der Katze im Sack, die sich aus eben diesem nicht zu befreien weiß, Hunde auf: als Videosequenz, die mittels Spiegelung durch den ganzen Raum wandert; oder in Fotos, in denen Grubers Lieblingshund Flicki zum Schauspieler in Inszenierungen à la Wegman wird. Die Fotoarbeiten, wie etwa die „Nachtboot“-Reihe, in denen allegorische Verdichtungen anhand bühnenhafter Aufbauten erreicht werden sollen, geraten gegenüber den hypnotischen Videobildern allerdings rasch ins Hintertreffen.

Die Verdichtung gelingt bei Arbeiten wie „Lauschangriff“, die nur vordergründig die Dialektik von Natur und Kultur thematisieren. Gruber schafft einfache Bilder mit auffälliger Affinität zu kindlichen Erlebnis- und Traumwelten, um sie dann ans Messer zu liefern. „Pelham Puppet“ etwa, eine Figur aus getrockneten Rinderteilen, die als Hundefutter Verwendung finden, klappert amüsant mit den Hufen. Die filigranen Einzelteile werden zu einer absurden Einheit kombiniert, die unser kulturelles Vorwissen eilig mit dem beruhigenden Begriff „Marionette“ belegt. Die offenbare Symbolik, die den Erstkontakt erleichtert, führt zu empfindlichen Störungen im Erkenntnishaushalt.

Die raumgreifende Video-Installation „Ephemerien“ schließlich weckt mit einer Ansammlung von goldenen, sakral anmutenden Schalen und kostbaren Kristallgläsern, die auf einer langen Tafel arrangiert sind, Assoziationen an feudale Kulturen. Die einem barocken Tableau gleichende Fülle liegt im Halbdunkel, wie in einer verborgenen Schatzkammer. An den mit Wasser gefüllten Gefäßen brechen sich rätselhafte Bilder, um wieder an der Wand reflektiert zu werden. Die dingliche Präsenz dient dabei als Spiegel für das Flüchtige, wobei Auge und Ratio zugleich Reflexionsorgan sind: Was meint es? Was ist wirklich? Bettina Gruber deutet die möglichen Texte, die hinter den Bildern liegen, nur an. Ihre Lust am Kryptischen zieht sich bis ins sorgfältig gemachte Katalogbuch hinein, dessen Text eine Fülle von Subtexten enthält. Die Dinge, die wir sehen und lesen können, sind altbekannt. Und doch: Alles bleibt anders.

Bettina Gruber: Ephemerien, bis 25. 6., Museum Ludwig, Köln; Katalog 39 Mark