Mugabe nähert sich der Realität an

In Simbabwe wird am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit könnte die Regierungspartei verlieren. Wie es dann weitergeht, ist offen. Die Verfassung gibt dem Präsidenten viele Möglichkeiten

aus Harare KORDULA DOERFLER

Für Simbabwes Präsident Robert Mugabe und seine Regierungspartei Zanu-Pf ist der Wahlkampf vor den Parlamentswahlen am kommenden Wochenende blamabel zu Ende gegangen. Trotz der massiven Einschüchterungsversuche, mittels derer die Zanu seit Monaten versucht, die Wahlen in ihrem Sinne zu beeinflussen, erschienen zur letzten großen Wahlkampfveranstaltung Mugabes in Harare am Wochenende nur 5.000 Anhänger. Vor leeren Rängen ließ der Präsident jetzt erstmals wenigstens ansatzweise Einsicht in die Realität erkennen. „Wir müssen akzeptieren, dass das ein wirklicher Kampf ist“, beschied er seinen Herausforderern in der Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC), die er bislang nur lächerlich gemacht hatte.

Umso siegessicherer gab sich deren Chef, Morgan Tsvangirai, zu dessen Abschlusskundgebung ebenfalls in Harare Zehntausende erschienen waren. „Wir glauben, dass das auch ein Indikator dafür ist, wie viele Leute zu den Wahlen gehen werden“, rief der ehemalige Gewerkschafter seinen Anhängern in Harare zu.

Für die großen Städte des Landes, wo die MDC ihre Hochburgen hat, wird dies zweifellos zutreffen. Es ist gut möglich, dass die neue Oppositionspartei sowohl in der Hauptstadt Harare als auch in der zweitgrößten Stadt Bulawayo im Südwesten sämtliche Wahlkreise gewinnen wird. Schwer vorherzusagen ist jedoch das Wahlverhalten in den ländlichen Gebieten, in denen die Mehrheit der Bevölkerung lebt. Bis zuletzt hat die Zanu mittels massiven Terrors versucht, die Wahlen dort von vornherein für sich zu entscheiden. Tausende von MDC-Anhängern wurden in den vergangenen Wochen schwer misshandelt und gefoltert, mehr als 30 Menschen sind im Wahlkampf ums Leben gekommen. Nach Angaben von ZimRights, dem Menschenrechtsverband von Simbabwe, sind mehr als 10.000 Menschen aus ländlichen Gebieten in größere Ortschaften geflüchtet. Gleichzeitig hat sich eine unbekannte Zahl von Menschen über die Grenze nach Südafrika vor dem Terror von Kriegsveteranen und anderen Zanu-Anhängern in Sicherheit gebracht. Weitgehend ungehindert ging auch die ungesetzliche Besetzung von fast 1.500 weißen Großfarmen weiter.

Etwas mäßigend hat sich dennoch offenbar die Anwesenheit von internationalen Wahlbeobachtern ausgewirkt, darunter auch 160 von der EU. Allerdings versucht die Regierung auch, deren Leben so schwer wie möglich zu machen. Nur zwei Wochen vor den Wahlen erließ Mugabe ein Dekret, wonach die Beobachter einem unerwartet komplizierten Akkreditierungsverfahren unterliegen.

Nach einigem bürokratischen Hin und Her mussten alle bereits im Land verteilten Beobachter in der vergangenen Woche wieder in die Haupstadt Harare zurück, um dort pro Kopf 100 US-Dollar zu bezahlen und sich einer ausführlichen Befragung zu unterziehen. Zwar versuchte man offiziell von EU-Seite aus, diese Schikanen so tief wie möglich zu hängen, doch ging damit zweifellos weitere kostbare Zeit verloren. Die ungehinderte Fortbewegung der Beobachter im Land ist ohnehin sehr schwierig, weil die Rohölknappheit in der vergangenen Woche auch wieder zu akutem Benzinmangel geführt hat. Einige besonders gewalttätige Regionen rund um die Hauptstadt Harare sind auch für die Beobachter kaum betretbar.

Unterdessen wird vor allem in den MDC-Büros dem Ergebnis entgegengefiebert. Hinter verschlossenen Türen beraten die Strategen die möglichen Szenarien, denn aufgrund der derzeit geltenden Verfassung bedeutet ein Wahlsieg noch nicht zwangsläufig auch eine Mehrheit im Parlament oder gar eine MDC-geführte Regierung. Mugabe ist bis zum Jahr 2002 als Präsident gewählt und darf 30 von 150 Abgeordneten selbst ernennen. Laut Verfassung ist er auch nicht verpflichtet, auch nur einen einzigen MDC-Parlamentarier in die Regierung zu nehmen, selbst wenn diese einen Wahlsieg errungen hat. Erhält die MDC allerdings eine Mehrheit, kann sie ein Amtsenthebungsverfahren einleiten. Zur Ablösung Mugabes allerdings bräuchte sie am Ende eine Zweidrittelmehrheit, und die scheint selbst den unverbesserlichen Optimisten als wenig wahrscheinlich.