Straffegen in der Expo-Halle

Schon über 1.700 Expo-Angestellte verloren ihren Posten. Auf den Rest wird Druck gemacht, schlechte Arbeitsbedingungen hinzunehmen. Viele akzeptieren aus Angst um ihren Job, von dem sie sich Kontakte für eine dauerhafte Beschäftigung erhoffen

aus HannoverREZA SALIMI-ASL

So hatte sich Michael Wuschik die Expo nicht vorgestellt. Eigentlich wollte der 53-jährige Kulturmanager aus Regensburg bis zum Ende auf der Expo arbeiten, hatte sich extra eine kleine Dachwohnung für 600 Mark gemietet. Im Herbst 1999 hatte er sich bei der Zeitarbeitsfirma Adecco beworben und wurde eingestellt. Er sollte an den Eingängen des Expo-Geländes als Teamleiter arbeiten. Seine Aufgabe: als besserer Pförtner Teams kontrollieren, eingreifen, wenn irgendetwas nicht funktioniert. Doch den Job trat er nie an.

Bereits in der Einweisung kam es zum Eklat. Wuschik fragte, ob er seine Untergebenen darüber informieren solle, wie sich die Drehkreuze manuell öffnen ließen. „Das müssen die Teamleiter eigenverantwortlich entscheiden“, bekam er in der Schulung zur Antwort. „Ich lasse mich von Ihnen nicht in eine Verantwortung zwingen, die ich nicht übernehmen kann“, sagte Wuschek. Er wollte nicht seinen Kopf dafür hinhalten, falls es zu Betrügereien am Drehkreuz kommt.

Einen Tag nach der offiziellen Eröffnung der Weltausstellung wurde Wuschik gekündigt. Begründung: Er habe durch seine Fragerei den Betrieb aufgehalten: „Wir sind am runden Tisch zu der Auffassung gelangt, Sie seien eine starke Persönlichkeit.“ Für den Betriebsrat ist dies eine merkwürdige Begründung – und nebenbei rechtlich völlig unzureichend für eine Kündigung.

Leider ist das kein Einzelfall, berichtet der Expo-Betriebsratsvorsitzende Peter Fischer (58). So wurde zum Beispiel ein Mädchen entlassen, das das Geschirr für die Geschirrspülmaschine vorspülen sollte: Sie sei für den Job ungeeignet. „Dabei hat sie nicht einen Tag gearbeitet“, sagt Fischer. Und einem Mann wurde angeboten, die Halle, in der Adecco seinen Sitz hat, zu fegen, weil sich – wie in Aussicht gestellt – keine qualifiziertere Arbeit fand. Der Mann fühlte sich rausgemobbt und ging.

Mit solchen Fällen muss sich derzeit der fünfköpfige Expo-Betriebsrat in der Halle 19 herumschlagen. „Wie mit den Leuten umgegangen wird, ist einfach unmöglich“, urteilt Fischer. Grund für die Entlassungen ist das schleppende Besucherinteresse. Der Arbeiter-Verleiher Adecco entließ deshalb in den ersten zwei Wochen mit 475 Angestellten ein Zehntel seines Expo-Personals. Weitere 1.108 Arbeitsverträge von Leuten, die erst zum 1. Juli oder 1. August anfangen wollten, wurden ebenfalls gekündigt. Auch die Zeitarbeitsfirma Randstad feuerte 150 von ihren 750 Expo-Angestellten.

Seit Mai dieses Jahres sind die Gewerkschafter auf der Expo und versuchen den Leihbeschäftigten zu helfen. „Wir könnten hier hundert Psychologen gebrauchen“, meint Fischer. „Die Leute verlieren hier ein Stück Selbstbewusstsein.“ Mancher hatte gehofft, über den Expo-Job Kontakte für einen neue Beschäftigung knüpfen zu können.

Doch viele trauen sich nicht, den Betriebsrat einzuschalten. Tatsächlich seien einige schon gefeuert wurden, heißt es im Betriebsrat, nachdem sie sich beschwert hatten. Viele wollen das Beste aus der Situation machen und unerkannt bleiben.

Anders Michael Wuschik. Er klagt gegen Adecco. Grundlage dafür bietet der Tarifvertrag, den die IG Metall mit der Zeitarbeitsfirma ausgehandelt hat. Doch der bietet wenig Spielraum, solange die 14-tägige Kündigungsfrist in der Probezeit eingehalten wird. Adecco beschäftigt etwa 4.700 Mitarbeiter auf der Expo. Sie ist der eigentliche Arbeitgeber und verleiht das Personal an die Aussteller weiter, vom Souvenirverkäufer bis zur Hostess.

Auch die Expo-Gesellschaft selbst behandelt das geliehene Personal nicht gerade gut: Sie wirft schon mal Schichtpläne für denselben Tag um. Laut Tarifvertrag müssen die Pläne zwei Tage im Voraus feststehen.