: Molukken: Mehr als 100 Tote
Bei Überfall auf ein indonesisches Dorf 117 Tote. Religiös verbrämte Unruhen sollen Präsident Wahid diskreditieren. Er steht dem Konflikt konzeptlos gegenüber
BANGKOK taz ■ Auf den indonesischen Molukken sind am Montag mindestens 117 Menschen getötet worden, als bewaffnete Männer das Dorf Duma auf der Insel Halmahera überfielen. Sie legten 300 Häuser in Brand und verschleppten Frauen und Kinder. Mindestens 70 Menschen wurden schwer verletzt in Krankenhäuser der Umgebung gebracht, gab ein Armeesprecher bekannt.
Dies war das jüngste von zahlreichen Massakern in dem Konflikt zwischen christlichen und muslimischen Bewohnern der Molukken, der seit 18 Monaten tobt. Anders als im übrigen Indonesien, das zu 85 Prozent muslimisch ist, siedeln auf den so genannten Gewürzinseln etwa gleich viel Christen wie Muslime. Mehr als 3.000 Angehörige beider Konfessionen verloren inzwischen ihr Leben.
Die meisten Dörfer auf den fast tausend Molukken-Inseln sind heute nach Religionszugehörigkeit getrennt. Hunderttausende Bewohner sind geflohen. Die Provinzhauptstadt Ambon wirkt wie Sarajevo oder Beirut in den schlimmsten Zeiten: Nachbarn, die früher friedlich Tür an Tür lebten, fürchten und hassen sich jetzt. Militärs und Polizisten stehen unter starkem Druck und schlagen sich – je nach eigener Konfession – auf die eine oder andere Seite. In Ambon beschossen sich Soldaten zuletzt im Mai.
Um den Ruf der Armee zu verbessern, wurde nun ein Hindu aus Bali zum Oberbefehlshaber der Region berufen: Oberst I Made Yasa soll sein Amt kommende Woche antreten. Wichtigste Aufgabe, erklärte der bisherige Militärchef, sei, „die Neutralität der Truppen aufrechtzuerhalten“.
Das überwiegend christliche Dorf Duma war im Mai schon einmal überfallen worden. Damals starben über 50 Menschen. Viele Überlebende flüchteten in die Kirche, die jetzt in Flammen aufgegangen sein soll. Wie früher verschwiegen die amtliche Nachrichtenagentur Antara und die Militärs zunächst die Religionszugehörigkeit von Tätern und Opfern. Das soll Racheakte verhindern. Trotzdem verbreiten sich die Nachrichten zwischen den Inseln schnell.
Was den Angriff auf Duma auslöste, ist unklar. Die Lage ist so gespannt, dass schon ein Gerücht die Wut entzünden kann. Besonnene christliche und muslimische Geistliche und Politiker glauben, dass die Unruhen von dunklen Kräfte in Jakarta geschürt werden, damit das Chaos die Regierung des liberalen Muslimpolitikers Abdurrahman Wahid zu Fall bringt.
Jüngstes Beispiel: Unter den Augen von Militär und Regierung hatte eine militante muslimische Gruppe 3.000 Männer bei Jakarta zum „heiligen Krieg“ auf den Molukken trainiert und mit Gewehren ausgerüstet. Mindestens 2.000 Mitglieder dieser „Laskar Dschihad“-Organisation gelangten auf die Molukken.
Verteidigungsminister Juwono Sudarsono sagte kürzlich, diese Gruppen würden von Anhängern des Ex-Diktators Suharto unterstützt. Der ehrgeizige Rivale des Präsidenten und Sprecher der Beratenden Volksversammlung, Amien Rais, rief die Muslime im Frühjahr öffentlich zum „Dschihad“ auf den Molukken auf. Längst hetzen militante Gruppen auch in anderen Regionen des traditionell toleranten Landes die Bewohner auf. Christliche Bürgerwehren bewaffnen sich. Der Präsident und seine Stellvertreterin Megawati Sukarnoputri riefen die Bevölkerung bei ihren seltenen Besuchen in der Region auf, ihre Konflikte selbst zu lösen. Hilfsgüter, die Megawati im März nach Halmahera brachte, sollen Berichen zufolge von korrupten Beamten und Politikern abgezweigt worden sein. JUTTA LIETSCH
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