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Betr.: „Abschreckungshaft“ und „Flüchtig überlesen“, taz hamburg vom 13. und 14.06.2000

Freuen?

Die Hamburger Ausländerbehörde schiebt massenhaft und skrupellos ab. Die Justiz und der Justizvollzug stellen sich ihr bereitwillig zur Verfügung. Ebenso ÄrztInnen, die im Auftrag und bezahlt von der Behörde Reisefähigkeit (dieser Begriff steht für den Zynismus der Institution) attestieren. Im Zweifel begleiten sie auch einen Flug, um Todesfälle an Bord möglichst zu verhindern, für die noch der BGS verantwortlich gemacht oder gar die Fluggesellschaften schadensersatzpflichtig würden. Längere „Freistunden“ in der Sicherungshaft wirken mit Sicherheit deeskalierend auf Auseinandersetzungen um das nur zu dieser Zeit verfügbare eine Kartentelefon für jeweils 40 Menschen. Helfen will Klimke wohl eher den Schließern. Der CDUler findet die rotgrüne Abschiebepraxis inkonsequent oder „zuweilen unsensibel“, sich selbst aber gar nicht. Auch nicht, wenn er als Vorsitzender des Petitionsaussschusses im Abschiebeknast nach einem Besuch bei den „abgelehnten Fällen“ längere Unschlusszeiten für diese anmahnt.

Lohnt es sich noch zu erwähnen, dass die Gefangenen nicht in Strafhaft sitzen, wozu sie verurteilt seien, sondern einzig, um die Effektivität der deutschen Abschiebemaschine zu steigern? Die Angst der Flüchtlinge vor Verfolgung und Perspektivlosigkeit, ihre Wut gegenüber rassistischer Diskriminierung mag bei diesem Grad der Sensibilität schwer wahrgenommen werden. Ein Besuch auf der Krankenstation des UG-Holstenglacis, wo durch Suizid- oder Fluchtversuche verletzte und kranke Abschiebegefangene landen, bevor sie ärztlich begleitet abheben, wäre vielleicht deutlicher gewesen.

Auch Schließer zeichneten sich in der Vergangenheit immer wieder durch sensible Behandlung der Sicherheitsverwahrten aus. Seit einem Algerier Anfang April in Glasmoor das Jochbein zerbrach, wurden der Abteilungsleiter und einige Be-dienstete in einer netten Geste ausgetauscht. Das wollte Klimke nicht kommentieren. Dennoch liest ihn die taz artig vor und schiebt noch eine pseudo-beleidigte Richtigstellung von Ober-Abschieber Bornhöft hinterher. Der findet sein tägliches Geschäft auch schmutzig und die Schicksale menschlich. Müssen wir uns jetzt darüber freuen?

P.S.: An jedem dritten Sonntag im Monat treffen wir uns wieder in der Amandastraße im Haus für Alle um 14 Uhr und fahren raus zum Knast nach Norderstedt, wo wir uns um 15 Uhr treffen, kommt alle, bringt Autos mit. Gaby von

Hundelshausen, Glasmoorgruppe

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