Mit Kanonen auf Spatzen

Durch die irrige Annahme, eine Warzenvirus-Infektion führe fast zwangsläufig zu Gebärmutterhalskrebs, werden Frauen unerträglichem Druck ausgesetzt

Viele Frauen und Männer infizieren sich im Verlauf ihres sexuell aktiven Lebens mit Humanen Papillomaviren (HPV), von denen einige Arten an jedem Teil der Geschlechtsorgane zur Bildung von Warzen führen können. Kommt es nämlich beim Geschlechtsakt zu winzigen Einrissen am Penis und in der Vagina, können die Viren durch diese „Pforten“ passieren und in den Genital-, Anal- oder Mundbereich gelangen.

Von den insgesamt etwa 100 bekannten HPV-Untergruppen werden die so genannten Low-risk-Typen hauptsächlich in gutartigen Feig- oder Feuchtwarzen gefunden. Im Unterschied dazu können als High-risk-Typen eingestufte HPV schwere Zellveränderungen verursachen und dadurch möglicherweise zu Gebärmutterhalskrebs oder, jedoch wesentlich seltener, zu Peniskarzinomen beziehungsweise – häufiger bei Homosexuellen – Analkarzinomen führen.

Mit dem „Pap-Abstrich“ – benannt nach George Papanicoulao, dem Erfinder dieser Methode – kann festgestellt werden, ob sich zum Beispiel bei der Frau die Zellen am Gebärmutterhals und im Muttermund verändert haben, wobei je nach Zellgröße und -struktur in die Pap-Kategorien 1, 2, 3, 3D, 4A, 4B und 5 unterschieden wird. Entgegen der weit verbreiteten Annahme ist der Pap-Abstrich jedoch kein Diagnoseverfahren, sondern lediglich eine Suchmethode nach möglichen Zellveränderungen, die aber auch andere Ursachen als eine HPV-Infektion haben können. Die Feststellung, ob es sich bei einem auffälligen Abstrich tatsächlich um eine HPV-beteiligte Krebsvorstufe oder -erkrankung handelt, ist nämlich nur über eine feingewebliche Untersuchung, das heißt durch eine unter auflichtmikroskopischer Sicht vorgenommene Knipsbiopsie sowie einen Virusnachweis möglich.

Unerlässlich ist eine HPV-Typisierung, doch wird diese bei uns nicht vom Leistungsträger anerkannt und daher nur in etwa 20 Prozent der Fälle gemacht. Folge davon ist, dass Frauen ohne eindeutige Diagnose schwerwiegenden Eingriffen am Gebärmutterhals ausgesetzt sind.

Wird nämlich bei Frauen ein veränderter Pap-Wert festgestellt, reagieren diese oft – zumeist durch entsprechende Wortwahl ihrer GynäkologInnen stark verunsichert – mit größtem Schrecken. „In den Beratungen haben wir die Erfahrung gemacht“, so Brigitte Sorg vom Feministischen Frauen Gesundheits Zentrum (FFGZ) in Berlin, „dass die Frauen mit einem veränderten Pap-Abstrich, meist mit einem Pap 3, zu uns kommen und häufig in völliger Panik sind, weil sie denken, sie hätten Krebs und müssten jetzt unbedingt etwas machen lassen.“ Da zum Beispiel Stress eine wesentliche Rolle bei veränderten Pap-Werten spielt, raten viele GynäkologInnen bei einem Pap 3 oder 3D, zunächst etwas abzuwarten und nach frühestens drei Monaten den Abstrich wiederholen und von einem anderen Labor untersuchen zu lassen. Bei einem 4B, so Brigitte Sorg, besteht jedoch schneller Handlungsbedarf.

Obwohl sich bei immerhin 56 Prozent der mit HPV infizierten Frauen die Infektion durch körpereigene Immunabwehr innerhalb eines Jahres spontan zurückbildet, greifen GynäkologInnen häufig schon bei Pap-3- bzw. Pap-3D-Werten zu scharfen Eingriffen am Gebärmutterhals, was für die Frauen psychisch und physisch schlimme Konsequenzen haben kann.

So besteht bei einer Messerkonisation, die oft allein bei Verdacht auf Krebsvorstufen erfolgt und bei der aus dem 2,5 bis 3 Zentimeter langen Gebärmutterhals ein bis zu 2 Zentimeter großes Gewebestück herausgeschnitten wird, die Gefahr, dass aufgrund der Entfernung von zu viel Gebärmutterschleimhaut die Frau später nicht mehr schwanger werden kann. Oder dass sich während der Schwangerschaft der Muttermund zu schnell beziehungsweise gar nicht öffnet. Ein Kaiserschnitt ist dann meist unerlässlich. BETTINA RECKTOR