Kongo-Krise

Patrice Lumumba wurde am 2. Juli 1925 in Onalua in der Provinz Kasai des damaligen Belgisch-Kongo geboren und stieg rasch in die winzige Elite so genannter assimilierter, europäisierter Kongolesen auf.

1954 wurde er Postbuchhalter in Stanleyville (heute Kisangani) und beteiligte sich an den Anfängen der kongolesischen Unabhängigkeitsbewegung. 1956 wurde er wegen Unterschlagung verhaftet und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Im Oktober 1958 gründete er die „Kongolesische Nationalbewegung“ (MNC).

Als Führer der MNC nahm Lumumba an den Verhandlungen in Brüssel zur Zukunft Belgisch-Kongos teil und erzwang dabei die rasche Unabhängigkeit. Sie erfolgte am 30. Juni 1960 – das ganze riesige Land zählte damals 17 Hochschulabsolventen. Lumumba wurde Premierminister; eine Woche vor der Unabhängigkeit hatte er eine Regierung gebildet.

Schon zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit hatte der Kongo vier verschiedene Regierungen – zwei rivalisierende in der Hauptstadt und zwei in den Bergbauprovinzen Kasai und Katanga. Binnen kürzester Zeit gab es einen Bürgerkrieg zwischen Kongolesen und der im Land verbliebenen belgischen „Force Publique“.

Innerhalb weniger Wochen erklärte sich Katanga unabhängig, Lumumba bat zur Wiederherstellung seiner Autorität um sowjetische Hilfe und die UNO entsandte eine Blauhelmmission, um den Rückzug der belgischen Kolonialtruppen zu erzwingen. Lumumba konnte also nie den Kongo wirklich regieren. Am 16. August rief er ein „Sonder-Militärregime“ aus.

Am 5. September 1960 wurde Lumumba von Staatspräsident Joseph Kasavubu als Premierminister entlassen, weil er „das Land in den Bürgerkrieg“ führe. Lumumba erkannte seine Absetzung nicht an und rief zum Aufstand gegen Kasavubu auf. Am 1. Dezember verhafteten Soldaten unter Führung des Kasavubu treu gebliebenen Armeekommandanten Joseph-Désiré Mobutu den abgesetzten Premierminister und brachten ihn in Mobutus Privatresidenz, wo er schwer gefoltert wurde.

Am 17. Januar 1961 wurde Lumumba in den Sezessionsstaat Katanga geflogen, der faktisch unter belgischer Herrschaft stand. Was dort passierte, rekonstruierte später der Schweizer Historiker Jean Ziegler auf der Grundlage von UN-Untersuchungen: „Munongo, der Innenminister Katangas, wartet im Kontrollturm. Katangische, belgische und französische Offiziere stehen mit Soldaten an der Landebahn. Ein Lastwagen fährt heran. Die Gefangenen werden von der Plattform der Gangway in den Lkw gestoßen. Der Fahrer gibt Gas und verschwindet mit seiner Fracht im angrenzenden Busch. Einige Kilometer südlich hält der Lastwagen in der Nähe eines Termitenbaus ...“

Hier, mitten im Busch, wurde Patrice Lumumba von einem belgisch geführten Hinrichtungskommando ermordet. Ein Belgier persönlich soll Lumumba das Bajonett in die Brust gestoßen haben.

Erst vier Wochen später verkündete Katangas Regierung Lumumbas Tod – angeblich das Werk von Dorfbewohnern. Ende Februar 1961 ließen die Behörden die Leiche ausgraben und in Schwefelsäure auflösen.

Die Kongo-Krise dieser Jahre endete erst mit Mobutus Militärputsch 1965. Mobutu regierte das Land, das er 1971 in Zaire umbenannte, bis zu seinem Sturz durch Rebellen des einstigen Lumumba-Anhängers Laurent-Désiré Kabila 1997. Kabila hat seinerseits seitdem die Kontrolle über zwei Drittel des Landes an Rebellen verloren; der Kongo ist heute genauso zerrissen wie zu Lumumbas Tod.

Literatur: Ludo De Witte: „L’Assassinat de Lumumba“. Karthala, Paris 2000, 416 Seiten, 160 FF.