Sparkassen-Jubiläum: 424 Wünsche frei

■ Es war einmal ein Ideenwettbewerb der Sparkasse: Die BürgerInnen im Haushaltsnotlageland träumen von Nettigkeiten / Zum Beispiel von einem Aussichtsturm im Bürgerpark, um im Bremer Flachland endlich Sonnenuntergänge sehen zu können

Mit Märchen hat man es in Bremen. Erst die alte Geschichte mit den vier komischen Viechern, die keiner haben wollte. Und dann – im dritten Jahrtausend – mutiert ausgerechnet ein Kreditunternehmen wie die Sparkasse zur guten Fee. Die den BremerInnen für 20 gute Ideen Geld spendieren will.

„Wo drückt denn euer Schuh“, fragte seinerzeit die Sparkasse die armen Bürger im Haushaltsnotlageland Bremen. Und rief auf zu einem Ideenwettbewerb. Es war ein geschichtsträchtiger Tag – der 9.9.1999 – um so was wie eine „Zukunftsoffensive“ in Bremen zu starten. In einem Land, das zwar wenig Geld haben mag, aber vielleicht reich an Geistesblitzen ist. Mal abwarten.

Sparkassen-Chef Jürgen Oltmann jedenfalls plagten „anfangs noch Bauchschmerzen“ vor dem, was die Bremer wohl alles ersinnen könnten. Schließlich hatte die gute Fee kein Thema vorgegeben, den Wünschen keine Grenzen gesetzt. Und dafür eine ganze Million versprochen.

424 Ideen schwappten schließlich herein, füllten einen fetten Aktenordner und wurden einer Jury von guten Feen vorgesetzt (Senatoren: Hilde Adolf, Josef Hattig, Willi Lemke, dazu: Kunsthalle-, Messe- und Univertreter). Ein „Schatzkästchen“ sehr guter Ideen kam dabei raus, freut sich Oltmann jetzt.

Gestern war dann wieder so ein märchenhaft seltsamer Tag: Die alte Sparkasse wird 175. Bürgermeister Henning Scherf outet sich als Sparkassen-Sparbuchinhaber von Geburt an. Und dann werden die 20 besten „Ideen-Geber“ prämiert – auf die sich das knappe Dutzend Feen nach diversen Machbarkeitsstudien und langen Ressortverhandlungen einigen konnte.

Und? Was wünscht man sich im Land mit den traurig leeren Staatskassen? Mehr Kultur? Oder Geld für Kitas? Computer in Schulen?

Nichts von all dem. Springbrunnen wünscht sich das Land. Oder: Ruderboote in den Wallanlagen. Und ein Laternenumzug „zum Beispiel mit Rolf Zuckowski“. Und immer, immer wieder (mindestens 23 mal) träumen die Bürger von einem schöneren Bahnhofsvorplatz (mit Kunst und mit „Stühlen aus Drahtgeflecht“ und auch hier bitte, bitte einen Springbrunnen). Das macht die Bremer glücklich.

Prämiert wurden solche schöngeistigen Phantastereien allerdings nicht. Die Feen dachten eher an was praktisches für die armen Bremer: Aschenbecher an Bushaltestellen. Eine Bundesgartenschau für Bremen samt potentieller Investoren. Oder einen Aussichtsturm für die Innenstadt, um „Naturschauspiele wie Sonnenuntergänge“ besser überblicken zu können. Auch Antike Schifffahrtsuhren zur Belebung der Schlachte konnte man sich vorstellen, nachdem die Schiffe an den Pontons bislang ausblieben. Dafür gab es Prämien. Aussicht auf Verwirklichung. Und Geld.

Revolutionäre Zukunftsvisionen haben die Feen dagegen nicht sonderlich geschätzt. Autofreier Sonntag in der Innenstadt? Fehlanzeige. Öffentliche Regenschirme (gegen Leihpfand)? Nixda. An die Häfen wollte das Bremer Feenkonsortium auch nicht ran: Kein Tivoli wie in Kopenhagen, keine Messehallen auf den zugeschütteten Flächen. Da wollte die Jury dann doch lieber ein paar Mark für mehr Engagement in Ehrenämter spendieren.

Vor der Erfüllung der Wünsche haben die Feen aber harte Arbeit gesetzt: Die Prämierten haben ein Jahr Zeit dem Wirklichwerden ihrer Ideen nachzuhelfen. Dann erst fließt Geld. Also – doch kein Märchen. pipe