Mit der Faust im Nacken

Die Oppositionspartei MDC kämpft umso hartnäckiger, je brutaler die Regierung gegen sie vorgeht. Ihr Symbol sind offene, saubere Hände

aus Bulawayo KORDULA DOERFLER

Die Augen des Eroberers von Afrika sind starr geradeaus gerichtet. Mit den Jahren hat sein Gesicht Patina angesetzt, und auch einige Körperteile sind zu Schaden gekommen. Cecil John Rhodes hat schon bessere Tage gesehen, früher, als er noch nach Norden blicken durfte, in der Main Street. Jetzt liegt sein Standbild vergessen in einer dunklen Ecke hinter einem Museum. Der Traum eines weißen Reiches vom Kap bis nach Kairo ist längst ausgeträumt.

In der Provinzhauptstadt Bulawayo ist das koloniale Erbe allgegenwärtig. Vom einstigen Sitz des Ndebele-Königs Lobengula aus wurde Rhodesien kolonisiert. Dafür schlagen die Uhren bis heute wie Big Ben. „3.500 Meilen bis Kairo, 1.150 zum Kap“ weist ein Schild den Weg. Wie für eine Metropole sind die Straßen schachbrettartig angelegt. Bulawayo aber ist ein Provinznest geblieben. Die Straßen sind oft gespenstisch leer.

Ebenso unverhältnismäßig groß ist die City Hall, ein kolonialer leuchtend weißer Prachtbau mit einer protzigen Säulenreihe am Eingang. Hunderte von Menschen drängen sich an diesem kühlen Winterabend im Juni zwischen den Säulen und verwandeln den sonst abends ausgestorbenen Platz vor der Stadthalle in ein Volksfest. Junge Männer singen, tanzen und schwingen Hände aus Pappe in der Luft. Mit offenen, sauberen Händen wirbt die MDC für sich. Jeder in Simbabwe versteht das Symbol sofort: Es soll den Bruch mit den Fäusten der Genossen aus der Zanu darstellen.

Drinnen, im nicht minder kolonialen Stadtsaal, warten bereits Tausende. Es sind überwiegend junge Männer und auch Frauen, dazwischen, trotz der Enge eigentümlich isoliert, auch ältere weiße Ehepaare. Ihr unverwechselbares Outfit mit dem abgewetzten Charme der Siebzigerjahre macht die meisten schon von weitem erkennbar als das, was sie immer waren: weiße „Rhodies“, die es sich nie hätten träumen lassen, plötzlich etwas mit der Mehrheit und gar mit Politik zu tun zu haben.

Zwanzig Jahre nach der Unabhängigkeit ist in Bulawayo aber vieles möglich, eben auch, dass weiße Rhodies gemeinsam mit vielen schwarzen Simbabwern nur noch einen Wunsch haben: dass Mugabe und seine abgewirtschaftete und zutiefst korrupte Partei endlich gehen mögen. Gemeinsam jubelt man „Amandla“, „es lebe das Volk“, als auf der Bühne die neuen Helden erscheinen, die gerade in Bulawayo besonders stark sind.

Gründe dafür gibt es viele: Bulawayo, die Hauptstadt des Matabeleland, war schon immer aufmüpfig und wurde in Harare systematisch vernachlässigt. Während sich die Hauptstadt etwa 450 Kilometer weiter nordöstlich in den vergangenen Jahren in eine moderne afrikanische Großstadt verwandelt hat, wartet die Ndebele-Minderheit im Südwesten Simbabwes seit der Unabhängigkeit vergeblich auf den versprochenen Aufschwung. Die ländlichen Gebiete gehören zu den ärmsten in Simbabwe, und seitdem die Touristen wegen der Brutalität des Wahlkampfs ausbleiben, ist die letzte Einnahmequelle versiegt.

Triumpf über den Terror

Zwar gibt es im Straßenbild keinerlei Wahlplakate und auf Veröffentlichung ihrer Termine in den staatlich kontrollierten Medien kann die MDC ohnehin nicht bauen. Doch mit Mund-zu-Mund-Propaganda füllt sie die Säle mühelos, und ihre Kandidaten sind stadtbekannt. Zudem gehören sie zu den profiliertesten Politikern, die die MDC überhaupt hat. In Bulawayo kandidiert Welshman Ncube, international geschätzter Verfassungsrechtler und Generalsekretär der neuen Partei ebenso wie einer der profiliertesten Weißen, der Menschenrechtsanwalt David Coltart, zugleich Rechtsberater von Parteichef Morgan Tsvangirai.

Traditionell schwer hat es in der Region die Regierungspartei Zanu. Die ausländische Reporterin ist in ihren Parteibüros unerwünscht. „Wir haben Wichtigeres zu tun, als mit Ihnen zu reden“, blafft ein unfreundlicher Funktionär. Man glaubt es ihm gern. Vermutlich sind die acht Wahlkreise in Bulawayo bereits an die MDC verloren – ebenso wie die 19 in der Hauptstadt Harare. Für die Zanu ist das gesamte Matabeleland aufgrund seiner Geschichte unsicheres Terrain. Auch hier versucht der Parteimob in den ländlichen Gebieten gemeinsam mit Kriegsveteranen, die Wahlen mittels Terror für sich zu entscheiden, auch hier wurden Dutzende von Farmen gewaltsam besetzt. Auch im Matabeleland geht die Angst um: vor Übergriffen und Gewalt der Regierungsanhänger.

Zu Peter Ndlouvu kamen sie um Mitternacht und hämmerten gegen die Tür. Ein Mann forderte Ndlovu auf, sofort herauszukommen, andernfalls werde man sein Haus niederbrennen. Ndlovu erkannte die Stimme. Es war einer seiner Nachbarn aus dem Ort, ein Kriegsveteran. Als er öffnete, standen 20 schwer bewaffnete Männer vor ihm, die sich als Anhänger der Regierungspartei Zanu-Pf vorstellten. Weil Ndlovu in der Menschenrechtsorganisation „Zimrights“ aktiv war, verdächtigten sie ihn auch, Mitglied der Oppositionspartei zu sein.

Ndlovu, seine Frau und sein fünfjähriger Sohn wurden nach draußen gezerrt, der Fünfzigjährige schwer misshandelt. Sie brachen ihm das linke Bein und den rechten Arm und schlugen ihn bewusstlos. „Sie dachten, ich seit tot“, erzählt Ndlovu. „Das hat mir das Leben gerettet.“ Vier Wochen nach dem Überfall ist sein Gesicht noch immer verwüstet, sein halber Körper steckt in Gips.

Ndlovu erstattete Anzeige bei der Polizei und nannte auch Namen. Die meisten Täter kannte er aber nicht, sie waren aus der Hauptstadt. Dann floh er nach Bulawayo zur Menschenrechtsorganisation Amani Trust. Keiner der Schläger wurde zur Veranwortung gezogen. Zurückgehen kann der Lehrer vorerst nicht. „Sollte die Zanu gewinnen, dann muss ich mir anderswo ein neues Leben aufbauen.“ Dabei ist Ndlovu kein Mitglied der MDC.

Fast 15.000 Menschen, so schätzt die Organisation, haben sich in den vergangenen Wochen vom Land in die Städte geflüchtet, um dem Terror zu entgehen. Obwohl die Opposition in allen 120 Wahlkreisen Kandidaten nominiert hat, ist Wahlkampf in vielen Regionen, vor allem um Harare herum, kaum möglich. Der Süden der Provinz Matabeleland gilt als besonders gefährlich.

Massaker der Fünften Brigade

Im Unterschied zu anderen Regionen von Simbabwe aber war die Angst nach der Befreiung nie verschwunden. Denn die Gewalt der Regierungspartei ist für die Ndebele-Minderheit nichts Neues. „Das haben wir alles schon einmal erlebt“, sagt Peter Ndlovu. Schon einmal, in den Achtzigerjahren, wurden Andersdenkende verfolgt und umgebracht. Wegen politischer Rivalitäten mit dem Chef der dortigen Befreiungsbewegung, Joshua Nkomo, schickte Mugabe als Premierminister die so genannte Fünfte Brigade gegen die Ndebele aus.

Bis heute ist nie genau geklärt worden, wie viele tausend unschuldige Zivilisten das von Nordkoreanern ausgebildete Eliteregiment mit den roten Baretts ermordet hat. Das dunkelste Kapitel in der Geschichte des unabhängigen Simbabwe wurde nie aufgearbeitet. Nur den Kirchen und Menschenrechtsorganisationen ist es zu verdanken, dass die Vorfälle erstmals vor drei Jahren untersucht wurden. Das Trauma wirkt nach. Die neue Orgie von Gewalt lässt es wieder wach werden. Die Regierung weiß sich das zu Nutzen zu machen. Zwar ist die Fünfte Brigade längst aufgelöst. Es reicht, normalen Soldaten rote statt den üblichen grünen Baretts aufzusetzen – und ganze Dörfer erstarren vor Angst.

Doch auch ohne die Fünfte Brigade müssen viele MDC-Kandidaten ständig um ihr Leben fürchten. „Ich schlafe erstmals in meinem Leben unter freiem Himmel im Busch“, ruft Abednico Bhepe der Versammlung in der City Hall entgegen. Er hat die Lacher auf seiner Seite, denn mit feiner Ironie hat der MDC-Kandidat von Nyati, einer entfernten ländlichen Gemeinde, damit darauf angespielt, dass er ebenso wenig ein Freiheitskämpfer ist wie die meisten, die sich heute Kriegsveteranen nennen.

In seinem Haus wohnt der smarte, junge Gewerkschafter schon lange nicht mehr, seine Familie hat er nach Bulawayo in Sicherheit gebracht. Seine Wahlkampftouren plant er sorgfältig voraus. „Wir fahren nur nachts und jedesmal auf anderen Wegen. Versammlungen vorher anzukündigen, ist unmöglich. Das ist viel zu gefährlich.“ Was bleibt dann noch? Plakate an Bäume heften, so hoch wie möglich, und Flugblätter verteilen, mit konspirativen Methoden. Nachts schlafen er und seine Helfer im Freien an wechselnden, streng geheimen Orten.

Etwas einfacher haben es seine Kollegen in der Stadt. Nach Morddrohungen allerdings bewegt sich auch der Anwalt David Coltart nur noch mit Leibwächtern. Doch immerhin können er und andere Wahlkampf machen, ihre Veranstaltungen werden auch von den stets auffällig unauffälligen Männer mit den dunklen Sonnenbrillen kaum gestört: die Agenten des Geheimdienstes. Doch an ihre Anwesenheit ist man gewöhnt, heute abend soll gefeiert werden.

Im Saal wird getanzt. Als ein zittriger alter Mann zum Rednerpult geführt wird, erstirbt der Tumult. Es ist auch ein Relikt aus einer anderen Zeit, das dann spricht: Sir Garfield Todd, einer der Honoratioren der Stadt, 91 Jahre alt. In den Fünfzigerjahren setzte er sich als Premierminister von Rhodesien für rudimentäre Rechte der Schwarzen ein. Seine Unterstützung für die MDC hat mehr als Symbolwert. Die Weißen im Saal fühlen sich gleich wohler. Heute Abend sind alle eins. Offene Hände winken durch die Luft, schwarze und weiße. Das hilft gegen die Angst.