Mütter, Mossad und Magie

■ Filme der 90er aus Israel: Das Metropolis gibt im Juli einen kleinen Überblick

Ein Land mit nur sechs Millionen Einwohnern, von denen nicht einmal alle die Staatssprache sprechen, hat nicht gerade die besten Vorraussetzungen für eine blühende Filmindustrie. Wo aber die Kinder berühmter Politiker statt Aufsichtsratsvorsitzende Regisseure vielbeachteter kritischer Filme werden, wie Amos Kollek und Assi Dayan, kann es um die Filmkultur nicht so schlecht stehen.

Um Israel nun engültig auf der Kino-Weltkarte zu markieren, zeigt das Metropolis im Juli eine kleine Reihe mit israelischen Filmen der späten 90er.

Lange vorbei sind die Zeiten, als sich die Filmproduktion in Israel hauptsächlich mit zionistischer Staatsgründungsideologie befasste oder Eskapistisches wie folkloristische Kommödien und Teen Flicks à la Eis am Stiel auf den Markt warf. Seit den 80er Jahren stehen die Themen, die sich in einer von äußerer Bedrohung, inneren Spannungen und starken Migrationsbewegungen geprägten Gesellschaft aufdrängen, im Mittelpunkt.

Am Anfang der Reihe steht aber ein Kinderfilm: Die heilige Clara ist die 13-jährige Tochter russischer Einwanderer und kommt neu in die siebte Klasse eines Gymnasiums. Mit ihren hellseherischen Fähigkeiten beschert sie zuerst ihrer Klasse großen Erfolg bei der Mathe-Arbeit, bezirzt zwei ihrer Mitschüler und bringt schließlich die ganze Stadt in Aufruhr. Dieser nahöstliche Beitrag zum Thema weibliche Pubertät und Übersinnliches kommt ganz ungruselig und magisch-realistisch daher.

Nicht fehlen darf in neueren israelischen Filmen der Geheimdienst, und so muss sich der junge Gary in Joseph Pitchadzes Mit den Augen des Westens mit der Spionage-Vergangenheit seines Vaters auseinandersetzen. Und im jüngs-ten Beitrag zur Reihe, Urban Feel von 1998, zeigt sich dann noch eine Traditionslinie: Jonathan Sagall, der einmal Bobby in Eis am Stiel war, hat als Regisseur, Autor und Schauspieler eine melancholische Dreiecksgeschichte inszeniert, die sich auch mit der Lieblosigkeit allgemein beschäftigt.

Ein weiteres Universalthema, die Familie, beleuchtet Passover Fever. Emotionale Konflikte werden sichtbar, als sich die Großfamilie zum Pesach-Fest versammelt. Zusätzlich bietet der Film die Möglichkeit, Gila Almagor, die zurzeit bekannteste Schauspielerin des Landes zu sehen.

So viel Einblick in das lebendige, heterogene Filmschaffen Israels war lange nicht, und offensichtlich war es Zeit dafür.

Georg Felix Harsch

Die heilige Clara: Mo., 3.7., 19 Uhr, Di., 4.7., 17 Uhr + Mi., 5.7., 22 Uhr, Metropolis. Weitere Termine siehe Kinoprogramm.