Ein Hund nur für Memmen

Der Psychoanalytiker Micha Hilgers zu Kampfhunden und deren Rassemerkmalen, Haltern, Minderwertigkeitsgefühlen und Ich-Schwäche: „Die Hunde werden zu einem billigeren Auto“

taz: Warum schafft sich jemand einen Kampfhund an?

Micha Hilgers: Die Hunde dienen als Verlängerung des Selbst. Ich kann mein eigenes Minderwertigkeitsgefühl, vielleicht meine eigene miserable soziale Lage dadurch kompensieren, dass ich mir einen Kampfhund zulege. Der Hund wird gewissermaßen zu einem billigeren Auto, und zwar für jene, die sich ein Auto nicht leisten können.

Welche Folgen hat es, wenn sich schwache Menschen starke Hunde kaufen?

Diese aggressiven Hunde benötigen Klarheit, Struktur, Dauerhaftigkeit, also Eigenschaften, die den Haltern gerade fehlen. Dadurch entsteht eine explosive Mischung.

Kampfhunde sind schon länger geächtet. Erhöht das den Reiz für manche Leute, sich einen solchen Hund anzuschaffen?

Die Hunde sind zu einer Art Markenzeichen, zu einem Symbol geworden: Wenn ich sowieso schon Outcast bin, dann mag es leichter sein, wenn ich das aktiv herbeiführe, indem ich mir so einen Hund zulege, als wenn ich das passiv erleide, indem ich zum Beispiel arbeitslos bin, am sozialen Rand stehe.

Es heißt ja immer, die Hunde selbst seien eigentlich gar nicht aggressiv. Welche Rolle spielt die Rasse?

Hunde sind entweder Jagd-, Hüte- oder Kampftiere, und diese Hunderassen sind nun mal extra für den Kampf gezüchtet worden.

Was kann man gegen die Gefahr durch Hunde und Halter tun?

Der Vorschlag, Maulkörbe einzuführen, bringt nichts, das hat man in Hamburg gesehen. Dort hatte der Halter die Auflage gehabt, einen Maulkorb anzulegen, und sich nicht daran gehalten. Die entsprechenden Halter verfügen nicht über die inneren Strukturen, sich an solche Vorschriften zu halten. Es hilft nur ein Mittel: Diese Hunde müssen vom Markt, es muss ihre Zucht und Haltung verboten werden, und zwar ausnahmslos.

Frust und Gewaltbereitschaft verschwinden dadurch nicht . . .

Die Tatsache, dass wir mit einem solchen Verbot die Gewaltprobleme in bestimmten Kreisen der Bevölkerung nicht lösen, bedeutet doch nicht, dass wir nicht zu Partiallösungen kommen und die Auswüchse damit zumindest stoppen können.

INTERVIEW: BARBARA DRIBBUSCH