Leithammel schlägt neue Töne an

Innensenator Eckart Werthebach leitet einen ausländerpolitischen Kurswechsel bei der CDU ein: Gesteuerte Zuwanderung einer leistungsbereiten Mittelschicht, Asylrecht soll nicht mehr einklagbar sein. Parteiinterne Zustimmung scheint sicher

von DOROTHEE WINDEN

In der Berliner CDU bahnt sich ein ausländerpolitischer Kurswechsel an. Die Revolution kommt von höchster Stelle: Innensenator Eckart Werthebach plädiert in einem Positionspapier für eine „gesteuerte Zuwanderung“, die eine „qualifizierte, gebildete und leistungsbereite Mittelschicht“ nach Deutschland holt. Er rechnet vor, dass die Bundesrepublik bis 2050 auf 50,7 Millionen Einwohner schrumpfen wird und die wachsende Zahl der Rentner die sozialen Sicherungssysteme massiv belastet.

Werthebach liegt damit voll und ganz auf der neuen, bundespolitischen Linie der CDU. Doch vorsichtshalber baut er den ausländerpolitischen Hardlinern seiner Partei Brücken: „Deutschland ist ein Einwanderungsland wider Willen“, heißt es in dem Papier. Noch wichtiger für die Einbindung ist jedoch die Verknüpfung der Einwanderungsfrage mit der Abschaffung des einklagbaren Rechts auf Asyl. Politisch Verfolgte sollen zwar noch Asyl beantragen, doch nicht mehr gerichtlich einklagen können.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Roland Gewalt, unterstützte gestern Werthebachs Papier auf der ganzen Linie. Von einem Kurswechsel wollte er jedoch nicht sprechen: „Unsere Position hat sich nicht verändert.“ Gewalt sprach sich für ein europäisches Einwanderungsgesetz und gegen einen deutschen Alleingang aus. Denn wer in ein EU-Land einwandere könne auch in andere EU-Länder ziehen. Beim Asylrecht müsse es Abstriche geben. Gewalt verwies auf Frankreich, wo das nicht einklagbare Asylrecht „funktioniere.“

Doch auch bei einer geregelten Zuwanderung soll sich die Zahl der Zuwanderer in Grenzen halten. „Die Zahl derer, die zusätzlich zu Asylbewerbern und Flüchtlingen ins Land kommen, wird außerordentlich gering sein“, meint Gewalt. Europa sei überbevölkert. Die Zuwanderung werde sich auf fehlende Fachleute beschränken.

Mit einer kontroversen Debatte des Werthebach-Papiers in der CDU-Fraktion rechnet Gewalt nicht. „Die Grundsatzpositionen sind nicht sehr unterschiedlich.“ Werthebach kann sich zudem der Zustimmung von Parteichef Eberhard Diepgen und von Fraktionschef Klaus Landowsky sicher sein, die für eine liberale Ausländerpolitik stehen.

Und auch die Hardliner, die die öffentliche Wahrnehmung der Partei in dieser Frage bestimmen, werden dem Innensenator kaum die Gefolgschaft verweigern, so die parteiinterne Einschätzung. Denn Werthebach ist für sie eine Leitfigur. Der CDU-Abgeordnete Kurt Wansner, kannte das Papier zwar noch nicht, erklärte aber vertrauensvoll: „So wie ich die politische Haltung des Innensenators kenne, wird da nichts drinstehen, das ich nicht mittragen kann.“