piwik no script img

Zoff am Badestrand

Noch bevor Sat.1 und RTL 2 mit ihren Insel-Robinsonaden starten, tobt der Kampf ums angeblich geklaute TV-Format. Doch was ist das eigentlich?

von STEFFEN GRIMBERG

Montag geht’s los. Und „Helden“ sind die Kandidaten sowieso schon alle. Zumindest für Sat.1: Dreizehn Freiwillige balgen sich beim „Inselduell“ um die Kokosnuss und ums nackte Überleben. „Was treibt sie, an ihre Grenzen zu gehen?“, fragt aufgeregt der Pressetext. Das könnte man genauso gut den Sender fragen.

Über 3,5 Millionen Mark hat die Produktion der neun „Survival“-Folgen auf der malayischen Insel Simbang gekostet – das ist ziemlich viel. Neun Wochen lang will Sat.1 in der Ferienzeit mit der Robinsonade Quote machen – das ist eher schwierig: Die Zielgruppe ist zu dieser Zeit im Urlaub und jagt dann doch lieber selbst nach Nüssen aller Art.

Simples Konzept

Das Konzept ist eher simpel: Die Austattung auf der Insel ist mit basic noch geschönt, nicht mal eine Zahnbürste durfte mitgenommen werden. Und wie beim – irgendwie ja doch – Vorbild „Big Brother“ wollen Zusatzaufgaben erfüllt sein. Wöchentlich wird dann jeweils einer weggemobbt, und dem Letzten winken satte 250.000 Märker.

Eben dieses Strickmuster hält allerdings noch ganz andere Kandidaten in Atem: Ab Montag wird beim „Big-Brother“-Kanal RTL 2 verschärft die Konkurrenz geguckt. „Eine Armada von Anwälten wartet darauf, Sat.1 in der Luft zu zerreißen“, tönte Wolfgang Amslgruber, Chef der Münchner Produktionsfirma Prisma, schon vor Wochen in der Presse. Denn Prisma dreht für RTL 2 gerade die „Expedition Robinson“, so eine Art Kandidatenduell auf einer – Sie ahnen es schon – malayischen Insel, wo die – genau – Abenteurer mit minimaler Ausrüstung heftige Aufgaben zu meistern haben sowie – richtig – jede Woche ein Kandidat die Insel verlassen muss und dem letzten Mohikaner – ätsch, knapp vorbei – nur schlappe 100.000 Mark winken.

RTL 2 muss eben sparen, schließlich hat der Sender anders als Sat.1 für das „Format“ Inselshow schon Lizenzgebühren an die Schweizer Firma Strix berappt. Denn die wiederum beglückt bereits die halbe Welt mit Robinsonaden vom Fließband und hält dafür im Indischen Ozean gleich eine ganze Inselgruppe vorrätig, auf der RTL 2 jetzt drehen darf. Kleiner Schönheitsfehler: Die Ausstrahlung von „Exepedition Robinson“ ist erst für den Herbst geplant.

Sat.1 reagiert betont lässig auf den Formatklau-Vorwurf: „Wir grinsen müde“, so Sat.1-Sprecher Dieter Zurstraßen. „Unsere Sendung hat ein ganz eigenes Konzept, eine ganz andere Kandidatenstruktur. Nur die Grundidee ist vergleichbar – aber nicht schützbar.“

Denn anders als bei fiktionalen TV-Stoffen, deren Drehbuch durch das Urheberrecht geschützt ist, bleibt im weiten Feld der Shows eine klare Regelung schwierig. Schützbar, sagen Juristen, ist höchstens ein ausgefeiltes Sendungs-Format, das aus einer individuellen Kombination verschiedener Elemente besteht, nicht aber eine bloße Programmidee. Doch klare Kriterien, wo die Idee aufhört und zum Format wird, gibt es nicht. Ein jetzt in den Niederlanden gesprochenes Urteil in Sachen „Real Live Show“ fiel zwar zugunsten von „Big-Brother“-Produzent Endemol aus (siehe Kasten).

Die Branche aber streitet weiter. Und die Definition, was ein Format ausmacht, schwankt je nach Interessenlage: „Das hängt doch davon ab, ob ich als Produzent ein Format an einen Sender verkaufe oder ob ich der Sender bin, der ein Format ankaufen will“, sagte unlängst David Lyle, Unterhaltungschef der britischen Produktionsfirma Pearson, die vor allem Gameshows wie „Der Preis ist heiß“ oder „Geh aufs Ganze“ international lizensiert. Der Sender will zumeist die kompletten Rechte und so die größtmögliche Flexibilität, der Produzent verkauft dagegen lieber nur seine „Format-Bibel“, die alle Einzelheiten verbindlich festlegt. Der Vorteil für den Sender, so Lyle während der Programmmesse Cologne Screenings, liege doch auf der Hand: Er bekomme so eine Sendung, die garantiert funktioniert.

Nun ist Lyle als Produzent klar Partei – genau wie die Sender: Für die Bibel allein könne man sich nämlich nichts kaufen, meinen Programmverantwortliche wie ZDF-Unterhaltungschef Viktor Worms. Und die Idee zum Format zu machen, müsse man schon jedem Sender selbst überlassen.

Kopie schädigt Original

Nur: Bloßes Ideenrecycling macht auch nicht glücklich, denn Kopien funktionieren selten besser als das Original. Das beweisen alle je an „Wetten, dass . . .?!“ angelehnten Showkonzepte. Allerdings beschädigt auch noch die schlechteste Kopie das Original, sagt Worms: „Je mehr Elefanten im deutschen Fernsehen auf Eiern stehen, desto weniger Leute wollen ‚Wetten, dass . . .‘ sehen.“

Einig ist sich die Branche höchstens darüber, dass maximal internationale Großproduzenten die Sender in die Formatpflicht nehmen können. Pearson (fusioniert gerade mit CLT-Ufa zum größten Sender- und Produktionsverbund Europas) oder Endemol (wird zur Zeit in den spanischen Medienkonzern Telefonica integriert) werden’s gerne hören.

Auf der Strecke bleibt so wieder einmal die Programmvielfalt: Selbst wenn ein kleiner Produzent tatsächlich einmal einem Sender Formatklau nachweisen kann, wird er tunlichst nicht zum Richter rennen. Erstens ist viel zu unsicher, wie der entscheidet (David Layle: „Richter gucken einfach zu wenig Fernsehen“), und zweitens würde der so brüskierte Kanal dem Produzenten wohl kaum jemals wieder ein Programm abnehmen. Die rasante Konzentration im Produktionsmarkt kommt so noch mehr in Schwung, und die Großen profitieren. Da er bei den meisten Angeboten ( „Sie glauben gar nicht, wie viele Ideen uns täglich präsentiert werden“) ohnehin nicht prüfen könne, ob ein Format geklaut sei, sagte ein Unterhaltungsredakteur in Köln, schicke er die Aspiranten lieber gleich zu Pearson weiter. Wenn die’s dann umsetzten, war das Format wohl sauber.

Die Entscheidung im „Inselkrieg“ wird also wohl ausgehen wie das Hornberger Schießen. Bleibt uns nur noch die Frage, ob die Survival-Strapaze überhaupt beim Zuschauer ankommt. Für Überlebensguru Rüdiger Nehberg jedenfalls ist das alles nur „ein bisschen mehr als Badeurlaub“, vertraute er TV Spielfilm an. Und gerade da steckt dann ja auch die Zielgruppe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen