Neue Heimat nicht nur für die taz

Am Bahnhof Altona soll ein neues Zentrum für Kultur und Medien entstehen. DB-Immobilien-Gesellschaft aber zögerlich. Holsten will sich ausbreiten  ■ Von Gernot Knödler

Die ersten Mieter sind schon drin, aber das Konzept ist noch immer nicht genehmigt: In der Kehle des Gleisknies zwischen den Bahnhöfen Altona und Holstenstraße verfügt die Deutsche Bahn AG über Schuppen und Verwaltungsgebäude, die sie nicht mehr braucht, und aus denen sie gerne Kapital schlagen würde. „Kultur, etwas Gastronomie und Medien – das wäre doch eine Mischung, die einschlagen müsste“, mögen sich die Kaufleute von der DB-Imm gedacht haben, der DB-Tochter, welche die Gebäude und Grundstücke der Bahn verwerten soll. Doch der zunächst verfolgte Plan, Mieter zu finden, die sich die alten Hallen als Ausgleich für eine geringe Miete weitgehend selbst herrichten, scheint nicht zu funktionieren.

„Es hat sich gezeigt: Wir müssen einen anderen Weg gehen“, räumt die Bahn ein. Der Vorschlag der Hamburger Niederlassung hierfür liege beim Vorstand der DB-Imm in Frankfurt am Main. Angesichts des angekündigten Börsengangs der Bahn dreht man dort jede Mark zweimal um, auch wenn sie noch gar nicht verdient worden ist. Eine Auskunft zum Konzept sei unmöglich, solange die Entscheidung aus Frankfurt ausstehe, sagt Egbert Meyer-Lovis. „Wir warten drauf“, so der Bahnsprecher.

Was den Immobilien-EntwicklerInnen der Bahn vorschwebt, lässt sich an der Liste der Interessenten und Verhandlungspartner zu dem Projekt ablesen: Von der Schauspiel-Schule über die taz bis zum Kino reicht das Spektrum.

Während viele potentielle MieterInnen noch auf ihren Vertrag warten, ist die taz hamburg am Wochenende in die Harkortstraße 81 eingezogen. Direkte Vorgängerin war der Bundesgrenzschutz. „Ihr werdet einiges zu tun haben, um die alten Geister aus den Ecken zu vertreiben“, kommentierte ein Leser am Telefon.

Als die taz hamburg in den ersten Stock und das Dachgeschoss zog, war ihr neuer Nachbar längst da: Im Erdgeschoss residiert das Kunstzentrum Leonardo, das die Privatakademie Leonardo und den Galerieverein Hamburg unter einem Dach vereint. Die Akademie bietet Kurse für erwachsene LaienmalerInnen an und bildet in vierjährigen Kursen IllustratorInnen aus. Der gemeinnützige Galerieverein präsentiert im Wechsel Werke der klassischen Moderne und von NachwuchskünstlerInnen.

Der Einzug in die Harkortstraße 81 sollte für das Kunstzentrum eigentlich nur eine Übergangslösung sein. Doch jetzt würden Geschäftsführerin Hannah Peter sowie ihre Kollegen und Schüler am liebsten bleiben. „Wir fühlen uns sehr wohl hier“, sagt Peter. „Vielleicht wäre es ja möglich, nur mit der Galerie in eine der ehemaligen Stückguthallen zu ziehen“, spekuliert sie.

Ebenfalls bereits eingezogen ist das Hamburger Schauspiel-Studio, die älteste private Schauspielschule Hamburgs und „staatlich anerkannt“, wie ihr Leiter Jürgen Hirsch betont. Das Schauspiel-Studio kann auf bekannte AbsolventInnen wie Volker Lechtenbrink oder Doris Kunstmann verweisen. 22 LehrerInnen bilden rund 50 SchülerInnen im Schauspiel, der Improvisation, im Theater-Sport, im Tanzen und im Fechten aus.

Das Studio hat einen ehemaligen Verwaltungsbau bezogen und im Sinne des ursprünglichen DB-Konzepts selbst renoviert. Auf demselben Stockwerk hat sich das Griechische Zentrum für Tanz etabliert, eine Mischung aus Kommunikationszentrum und Tanzschule für traditionelle griechische Tänze.

Das Erdgeschoss hat das Theater NN ausgebaut. Ein Stamm von fünf Schauspielern, Regisseuren, Bühnenbildnern und Organisatoren inszeniert dort Bühnenprojekte. Das nächste wird eine Kurt-Weill-Revue sein, die am 14. Juli um 20 Uhr Premiere haben wird.

Weniger glücklich sind Clowns &Co. sowie der Zirkus Mignon, bei denen die Unterschrift der Bahn unter den fertigen Vertrag noch aussteht. Der Zirkus hat bisher keinen festen Standort, veranstaltet aber jeden Sommer einen Inselzirkus auf Sylt. „Das Konzept, das wir da fahren, wollen wir im Sommer gerne nach Altona holen“, sagt Mignon-Chef Martin Kliewer. In den Hallen würden Kinder und Jugendliche in zirzensischen Künsten ausgebildet und in dem länglichen Hof zwischen den ehemaligen Stückguthallen würde das ganze Jahr über ein Zirkuszelt stehen. Abgerundet würde das Ganze durch „italienische Gastronomie“, sagt Kliewer.

Das Kino 3001 aus dem Schanzenviertel hat eigens eine Tochterfirma für ein weiteres Kino im Kulturbahnhof gegründet. Man konferiere alle vierzehn Tage mit den Leuten von der DB-Imm, sagt Jens Meyer vom 3001. Doch das Projekt ist noch so offen wie die Pläne für das ganze Viertel zwischen der Bahn, der Haubach- und der Stresemannstraße.

Für das Gebiet soll auf Beschluss des Senats ein neuer Bebauungsplan aufgestellt werden. Die erste öffentliche Plandiskussion hätte eigentlich längst schon stattfinden sollen. Doch bisher sei noch nicht geklärt, wie der Straßenverkehr künftig durchs Viertel geleitet werden soll, sagt Elke Kuick-Frenz, Leiterin der Stadtplanungsabteilung in Altona. Dafür müsse erst ein fundierter Vorschlag vorliegen.

Einigermaßen fest steht, dass das Gelände des Kulturbahnhofs kleinteilig durch Kultur- und Medienbetriebe genutzt werden soll, unter Ausschluss großflächigen Einzelhandels. Der nördliche Abschnitt der Harkortstraße soll geschlossen werden, weil sich die Holsten-Brauerei gerne nach Westen hin ausbreiten würde. Als Ersatz soll eine neue Ost-West-Verbindung auf Holsten-Gelände gebaut werden, die die Harkort- an die Holstenstraße anschließen würde.

Auch über die weitere Umgebung des Gebietes ist schon viel spekuliert worden. Hartnäckig hält sich das Gerücht, die Bahn wolle den Bahnhof Altona aufgeben, was deren Sprecher Meyer-Lovis nicht müde wird zu dementieren: „Der Bahnhof Altona wird weiter betrieben“, sagt er schlicht.

Trotzdem hat sich der Altonaer Verkehrsausschuss im April dafür ausgesprochen, vom Bahnhof Altona aus über die heutigen Gleisanlagen einen Autobahnzubringer zur Auffahrt Volkspark zu bauen. Die Abgeordneten erhoffen sich davon, dass das Kerngebiet des Bezirks vom Verkehr entlastet wird.

Vom Grundsatz her wäre das auch nötig, denn ein Architektur-Wettbewerb für den Umbau des Bahnhofs läuft bereits. Sein Auslober Büll&Liedtke will den hässlichen Kasten zu einem attraktiven Verbindungsglied zwischen dem Ottenser Mercado und dem Einkaufszentrum Altona umbauen. Die Krönung des Konsumtempels sollen zwei Parkdecks für bis zu 1300 Autos werden.