Renten werden in Zeitlupe gekürzt

SPD-Parteivorstand billigte Walter Riesters neues Rentenkonzept. Wer ab dem Jahre 2011 in Rente geht, muss Abschlag hinnehmen. Wer vorher in den Ruhestand wechselt, steht besser da. Renten-Splitting für Ehepaare soll doch möglich sein

Aus BerlinTINA STADLMAYER

Ist die Rente jetzt sicher?, wollte ein Journalist vom Bundeskanzler wissen. Die Frage brachte Gerhard Schröder in Bedrängnis, schließlich hat sich bereits der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm mit seinem Spruch von der sicheren Rente lächerlich gemacht.

„Wir haben die Rente sicher gemacht, so sicher, wie sie in einer sich verändernden Gesellschaft sein kann“, lautete die ausweichende Antwort des Kanzlers. Ebenso wichtig sei, dass die Rente „für die Jungen bezahlbar“ bleibe. Die Betragssätze dürften bis zum Jahr 2030 höchstens auf 22 Prozent steigen – heute liegt der Satz bei 19,3 Prozent des Bruttolohnes.

Am Freitag hatte Arbeitsminister Riester noch einige Zugeständnisse an die Gewerkschaften in sein Konzept eingearbeitet. Die führenden SozialdemokratInnen stritten gestern heftig im Parteivorstand und billigten das Konzept schließlich. Neunzehn VorständlerInnen waren dafür, neun dagegen.

Die Bundestagsabgeordnete Andrea Nahles, die SozialexpertInnen Regine Hildebrandt, Rudolf Dreßler, Ottmar Schreiner und die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer hatten dagegen gestimmt. Trotzdem sprach Schröder von einer „großen Bestärkung“ für Arbeitsminister Riester.

Andrea Nahles sieht die Lage etwas anders. Sie hofft, dass die Fraktion heute noch einige Änderungen durchsetzt. Das Niveau der gesetzlichen Renten dürfe nicht unter 65 Prozent sinken und der vorgesehene Anteil der Privatvorsorge solle niedriger sein, als Riester plane: 2,5 Prozent statt 4 Prozent.

Aller Voraussicht nach wird auch die Fraktion dem Konzept heute zustimmen. Prominente Kritikerinnen wie Anke Fuchs haben bereits eingelenkt.

Das neue Konzept sieht vor, dass alle, die ab dem Jahr 2011 in Rente gehen, einen Abschlag von 0,3 Prozent pro Jahr hinnehmen müssen. Dieser Abschlag summiert sich nach 20 Jahren auf 6 Prozent. Die Rente derer, die vor 2011 in den Ruhestand gehen, wird unverändert ein Niveau von 68 Prozent der Nettolöhne haben. Bis zum Jahr 2030 werde das Niveau auch für Neuzugänge nicht unter 64 Prozent absinken.

Für die Zeit nach 2030 wollen Riester und Schröder keine verbindlichen Zusagen machen. „Der Aussagewert von Berechnungen bis zum Jahr 2050 ist begrenzt“, sagte der Kanzler.

Das Konzept sieht neben der gesetzlichen Rente den Aufbau einer privaten Zusatzversicherung vor. Beginnend mit 0,5 Prozent sollen ab dem Jahre 2008 4 Prozent des Bruttolohnes dafür verwendet werden.

Schröder erklärte, die Arbeitnehmer würden vom Staat „erheblich unterstützt“: Verheiratete Bezieher von zu versteuerndem Einkommen bis zu 70.000 Mark, die zwei oder mehr Kinder haben, erhalten eine Sparzulage von bis zu 1.000 Mark im Jahr. Die Aufwendungen für die Kapitalvorsorge sind bis zu einem Betrag von 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze steuerfrei.

Außerdem will Riester die während der Kindererziehung bezahlten Beträge deutlich höher bewerten – die von Teilzeit arbeitenden Müttern und Vätern sogar doppelt so hoch. Außerdem soll es doch die Möglichkeit einer partnerschaftlichen Teilung von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung geben.

Schröder sagte, auf der Basis von Riesters Konzept müsse es „möglich sein, zu einer parteiübergreifenden Einigung zu kommen“. Noch in diesem Monat will er die „Eckpunkte“ der Rentenreform gemeinsam mit der Union verabschieden. Das Gesetz soll dann zu Beginn des Jahres 2001 in Kraft treten.

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