Räubertochter aus der Babyklappe

■ Zwei „Findelkinder“: Eines kam über den Notruf, eines lag in der Klappe. Anna und Ronja sind jetzt in Pflegefamilien

Wer und wo sie ist, wie es ihr jetzt geht und warum sie es getan hat: Unbekannt. Wann genau sie das Baby bekommen hat: geheim. Nur so viel wurde jetzt öffentlich: Vor etwa neun Wochen hat zum ers-ten Mal eine Frau ihr Baby in die Babyklappe gelegt. Das Mädchen war ungefähr zwei Tage alt und nicht fachgerecht abgenabelt. Vermutlich kam sie nicht im Krankenhaus zur Welt. „Offenbar hatte diese Frau niemanden, dem sie sich anvertrauen konnte“, vermutet Heidi Kaiser von SterniPark.

Der Jugendhilfe-Träger hatte das Projekt „Findelbaby“ im Dezember 1999 mit einem rund um die Uhr besetzten Notruf gestartet. Hier bekommen Frauen Rat und können Treffen vereinbaren, bei denen sie ihr Kind anonym an SterniPark-Mitarbeiter übergeben können. So auch Anna, die inzwischen bei einer Pflegefamilie lebt. Seit Ende März gibt es außerdem die Babyklappe in der Altonaer SterniPark-Kindertagesstätte Goethestraße 27 (taz hamburg berichtete). Hier können Mütter Babys anonym in ein Wärmebettchen legen. „Seit Beginn des Projekts wurden in Hamburg keine Kinder mehr ausgesetzt“, freut sich Heidi Kaiser. Im vergangenen Jahr war das für vier Mütter die offenbar einzige Lösung gewesen. Zwei der Kinder starben.

Das erste Babyklappen-Kind lebt inzwischen in einer Pflegefamilie. Als es in die Klappe gelegt wurde, klingelte bei Heidi Rosenfeld automatisch das Handy. „Sieben Minuten später war ich da“, erinnert sie sich. Sie und ihre Kollegin haben das Mädchen „Ronja“ getauft, nach Astrid Lindgrens Räubertochter. Im Altonaer Kinderkrankenhaus wurde Ronja untersucht: Ein Leichtgewicht, aber gesund.

Anschließend haben sich Pflegeeltern zwei Monate lang um Ronja gekümmert. So lange kann die Mutter ihren Entschluss überdenken, auf dem SterniPark-Ferienhof ausprobieren, wie es sich mit Kind lebt oder das Baby wieder zurückholen. Das hat Ronjas Mutter nicht getan.

20 Ehrenamtliche betreiben das Projekt, das sich aus Spenden und 50.000 Mark Zuschuss vom Amt für Jugend finanziert. Weitere Spender werden gesucht, zumal noch in diesem Monat in Wilhelmsburg eine zweite Babyklappe eröffnet werden soll. Wie schon in Altona soll auch hier innerhalb von zehn Minuten jemand vor Ort sein. Geht die Klappe auf, stellt ein Bewegungsmelder eine Kamera an. Der Wachdienst sieht so, ob ein Kind in der Klappe liegt und verständigt sofort den Notdienst.

Ob nach Ronja noch ein weiteres Kind in der Klappe lag, ist geheim: Innerhalb der ersten acht Wochen erfährt niemand etwas, ist die Maxime von SterniPark. Denn die Mutter solle sich frei entscheiden können. Sandra Wilsdorf