DEUTSCHLAND AUF PLATZ ZWEI BEI DER FÖRDERUNG DER GENOMFORSCHUNG
: Signalwirkung

Der Zeitpunkt ist günstig gewählt. Nur wenige Tage nachdem die internationale Gemeinschaft der Genomforscher mit einem Heidenlärm und Trompetengeschmetter den beinahe vollständigen „Code des Lebens“ präsentierte, legt das Bundesforschungsministerium nach. Der Geldtopf für die deutsche Genomforschung wird aufgestockt. Anstatt 83 Millionen Mark will das Forschungsministerium im nächsten Jahr 144 Millionen für die Genomforschung zur Verfügung stellen. Insgesamt werden damit 400 Millionen Mark an öffentlichen Geldern den Genomforschern zugute kommen. Diese Summe entspricht zwar nicht den Vorstellungen des Deutschen Human-Genom-Projektes (DHGP), das gemeinsam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im vergangenen Jahr allein für die Humangenomforschung die utopische Summe von einer Milliarde Mark einforderte. Doch angesichts des ansonsten auf allen Ebenen proklamierten Sparwillens ist das ein nicht unerheblicher Betrag.

Und noch etwas kommt hinzu. Mit dieser Ankündigung wird auch die Botschaft überbracht, dass die rot-grüne Bundesregierung gewillt ist, den Weg in das gentechnologische Zeitalter zu ebnen. Was interessieren da noch die Vorbehalte der Verbraucher gegen genmanipulierte Nahrungsmittel, der Streit um Designer-Babys oder die Angst vor dem gezüchteten Menschenpark. Zwar gibt es beim Forschungsministerium auch finanzielle Unterstützung für die Abklärung der sozialen und ethischen Folgen der neuen Biotechnologien. Doch das Signal, sich an dem Run auf die genetischen Goldclaims zu beteiligen, ist unüberhörbar.

Bei der Finanzierung der Genomforschung steht Deutschland nun nach den USA weltweit auf Platz zwei. Jetzt geht es um die schnelle Umsetzung der Forschungsergebnisse in kommerzielle Produkte. Der Wirtschaftsstandort Deutschland muss ausgebaut werden. Und natürlich winken Arbeitsplätze. Dabei haben die Politiker ihre Hausaufgaben noch längst nicht gemacht. Das zeigt nicht nur der neu aufgebrochene Streit um die Patentierung menschlicher Gene. Die Frage, wie weit die Kommerzialisierung des menschlichen Körpers eigentlich gehen darf, ist nach wie vor ungeklärt. Auch auf die ebenso alte wie berechtigte Forderung nach einer klaren Grenzziehung in der Nutzung von genetischen Informationen, beispielsweise bei Versicherungen oder am Arbeitsplatz, gibt es bisher keine ernstzunehmende Antwort. Und selbst das immer wieder hoch gehaltene „Recht auf Nichtwissen“ über seine eigene genetische Konstitution ist eine Farce. Denn auch hierzulande wird längst ohne Einverständnis der Betroffenen nach „Erbfehlern“ gefahndet. WOLFGANG LÖHR